Die Staatsanwaltschaft, sowie die Nebenklage, halten ihre Strafforderung von 5 bis 9 Jahren Haft für Mikel Álvarez, Gorka Ovejero, Julio Villanueva und Ibon García – die vier Mitglieder des Kollektivs Mugitu!, das sich gegen den Trassenbau des Hochgeschwindigkeitszugs (TAV) stellt – wegen drei Tortenwürfen, aufrecht. Das Verfahren findet z.Zt. in der Audiencia Nacional in Madrid statt. Yolanda Barcina (UPN), die Präsidentin der Foralgemeinschaft Nafarroa (Navarra), wurde im Oktober 2011 während einer Veranstaltung in Toulouse von drei Torten getroffen – hier das entsprechende Video; das Verfahren in Frankreich wurde bereits eingestellt.
Haftstrafen zwischen 5 und 9 Jahren für Tortenwurf beantragt
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach dem die auf der Doktrin 197/2006 (Doktrin Parot) basierende nachträgliche Haftverlängerung die Menschenrechte der betroffenen Gefangenen verletze, bringt in der Nacht von Freitag auf Samstag acht weiteren baskischen politischen Gefangenen die Freiheit: Txomin Troitiño, Isidro Garalde, Iñaki Urdiain, Jokin Santxo, Elías Fernández Castañares, Joseba Artola, Patxi Gómez und Luis Mari Azkargorta haben zusammengerechnet mehr als 200 Jahre im Gefängnis verbracht. Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional hatte am Freitag ihre Freilassung angeordnet.
Die Audiencia Nacional hatte ausserdem auch die Freilassung von Jon Aginagalde angeordnet, dem durch die Anwendung der Doktrin Parot seit drei Jahren seine Entlassung verweigert wird. Als seine Verwandten ihn jedoch im Gefängnis von Granada abholen wollen, erleben sie eine böse Überraschung. Der Gefängnisdirektor verweigert die Entlassung, angeblich, weil Aginagalde noch eine 15 tägige Strafe absitzen müsse, die er vor kurzem erhalten habe.
Audiencia Nacional ordnet die Freilassung von weiteren neuen baskischen Langzeitgefangenen an
Das Plenum des spanischen Sondergerichts Audiencia Nacional beriet heute über die Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach dem die Doktrin 197/2006 die Menschenrechte der betroffenen Gefangenen verletze. In Spanien wird die als Doktrin Parot bekannte nachträgliche Strafverlängerung hauptsächlich auf baskische politische Langzeitgefangene angewendet.
Das Sondergericht gab heute einstimmig bekannt, nach Ines del Rio, die am Tag nach dem Straßburger Urteilsspruch entlassen wurde, den zweiten Doktrin-Parot-Gefangenen zu entlassen. Es handelt sich um Juan Manuel Piriz, der seit 30 Jahren im Gefängnis sitzt, derzeit in Algeciras, mehr als 1.000 Kilometer entfernt vom Baskenland.
Ab dem 8. November wird das spanische Sondergericht jeden Freitag tagen, um die von der Doktrin betroffenen Gefangenen einzeln zu besprechen. Damit kann sich die Entlassung der insgesamt 70 rechtswidrig inhaftierten baskischen Gefangenen über Wochen hinauszögern. Eine Rolle spielt bei der Entscheidung wohl auch die Wut der spanischen Hardcore-Rechten über die Einmischung Europas. Man wolle nicht eine ganze “Busladung” entlassener Basken sehen, hatten die rechtsaußen “Opfergruppen” nach dem Straßburger Urteil verkündet.
Audiencia Nacional ordnet die Freilassung von Juan Manuel Piriz an
Andrej Hunko, Mitglied im EU-Ausschuss des Bundestages und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für Die Linke, erklärt zum heutigen Urteil des EGMR: „… Spanien muss jetzt unverzüglich die Rechtspraxis der Parot-Doktrin beenden und die betroffenen Gefangenen freilassen. Die Anwendung der Doktrin war ein klarer Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien und ein unrühmliches Beispiel dafür, wie Anti-Terror-Gesetzgebung die Rechtsstaatlichkeit aushöhlen kann.
Für den baskischen Friedensprozess ist der Richterspruch eine positive Nachricht. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, dass die spanische Regierung von sich aus den Schritt zur Abschaffung gemacht hätte. Dies wäre ein positives Signal für den Willen zu einer politischen Lösung gewesen.
Der EGMR zeigt aber auch wieder einmal, dass Instrumente wie die Europäische Menschenrechtskonvention nötig sind, um die Grundrechte in Europa zu verteidigen …”
Vollständige Presse-Erklärung als PDF: weiterlesen >>
Presse-Erklärung von Andrej Hunko (Die Linke) zum EGMR-Urteil im Fall Inés del Río
Heute um 11.30 Uhr gibt die große Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg ihre endgültige Entscheidung über die spanische Parot-Doktrin bekannt. Vor einem Jahr hatte der Gerichtshof einstimmig beschlossen, die Baskin Inés del Río sei “so schnell wie möglich” freizulassen. Die rückwirkende Anwendung neuer Gesetze, mit der die Strafen für zahlreiche Basken im Nachhinein verlängert wurden, hatte der Menschenrechtsgerichtshof damit einstimmig gestoppt. Spanien legte dagegen Widerspruch ein. Es wird jedoch erwartet, dass die große Kammer das bisherige Urteil bestätigt und die über 70 betroffenen Gefangenen nun freikommen dürften. Das wird, fast genau zwei Jahre nachdem die ETA verkündete, den bewaffneten Kampf aufzugeben, den Friedensprozess wieder ein Stück voranbringen.
(Ralf Streck)
Heute wichtige Entscheidung in Straßburg
Die Internationale Friedenskonferenz von Donostia startete heute Morgen mit einem institutionellem Akt in Aeite – im Anschluss finden Workshops im Kursaal statt.
Start der Friedenskonferenz in Donostia - San Sebastian
Der Menschenrechtskommissar des Europarates zeigt erneut die gesamte Kette von Verantwortlichen, die die Fortdauer der Folter im spanischen Staat ermöglicht, an. Von der Legislative, die die Imcomunicado-Haft beibehält, zur Polizei, die die Misshandlungen durchführt, von den Richtern, die Folteranzeigen ablehnen, bis hin zur Regierung die die spärlich verurteilten Folterer begnadigt.
Nils Muiznieks, besuchte den spanischen Staat zwischen dem 3. und 7. Juni diesen Jahres und veröffentlichte diesen Mittwoch, 09.10.13 seinen Bericht:
Report by Nils Muižnieks, Council of Europe Commissioner for Human Rights
Europäische Anzeige gegen die Duldsamkeit der spanischen Verantwortlichkeitskette an, die die Folter aufrechterhält
In bundesweit verbreiteten Erklärungen solidarisierten sich die Antirepressionesorganisationen Rote Hilfe e.V. und Azadi e.V. mit der baskischen Gefangenenhilfsorganisation Herrira. Die Rote Hilfe e.V., die bundesweit über 6000 Mitglieder hat, unterstützt unter anderem die Forderungen nach einem Ende der Kriminalisierungspolitik und der sofortigen Freilassung der politischen Gefangenen der abertzalen Linken. Ein Mitglied des Bundesvorstandes der Roten Hilfe e.V. erklärte, daß die Maßnahmen der spanischen Polizei Guardia Civil eine gezielte Attacke auf den Friedensprozess gewesen sei. Azadi e.V., die seit vielen Jahren Kurden und Kurdinnen in der BRD unterstützt, die wegen ihrer politischen Aktivität verfolgt werden, betonte außerdem, daß eine Politik, die allein auf Justiz und Polizei setze, anstatt die gegebenen Konflikte dialogbereit politisch und historisch zu analysieren, zum Scheitern verurteilt sei.
Solidarität deutscher Gefangenenorganisationen mit Herrira
Die 18 Herrira-AktivistInnen, die am Montag (30.9.2013) während der Razzia verhaftet wurden, wurden heute (3.10.2013) dem Richter Eloy Velasco vom Sondergericht Audiencia Nacional in Madrid vorgeführt. Dieser ordnete Freilassung für zehn der Verhafteten an: Sergio Labayen, Eneko Villegas, Roberto Noval, Oscar Sánchez, Beñat Zarrabeitia, Ekain Zubizarreta, Eneko Ibarguren, Amaia Esnal, Imanol Karrera und Fran Balda. Vier kommen gegen die Zahlung von je 20.000 € frei. Dabei handelt es sich um Jon Garai, Nagore García, Jesus Mari Aldunberri und Manu Ugartemendia. Die Anhörung der vier Übrigen – Ane Zelaia, Ibon Meñika, José Antonio Fernández und Gorka González – ist erst am späten Nachmittag.
Trotzdem hielt der Richter die Anklage aufrecht, die auf “Integration in eine terroristische Vereinigung”, “Verherrlichung von Terrorismus” und “Finanzierung von ETA” lautet. Die Angeklagten dürfen das Land nicht verlassen und an Aktivitäten, die “Kontrolle der Gefangenen” oder “Verherrlichung von Terrorismus” darstellen, nicht teilnehmen.
Sicher ist die zeitliche Nähe der Repression gegen die Menschenrechtsorganisation Herrira kurz vor Beginn der Massenprozesse gegen 76 politische Aktivisten nur rein zufällig und soll nicht etwa Aktionen der Aufklärung und der Solidarität behindern. Auch kann die Polizeiaktion gegen Herrira gar kein Anschlag gegen den Konfliktlösungs- und Friedensprozess im Baskenland sein, weil es nach Meinung der spanischen Regierung einen solchen Prozess ja gar nicht gibt.
Polizeiaktion gegen Herrira - Mehrheit der Verhafteten wieder frei - Anklage wird aber aufrechterhalten
Brüssel, 30. September 2013: Die Gruppe “Basque Friendship”, Abgeordnete des Europa-Parlaments, die Konfliktlösung im Baskenland unterstützen, sehen in der vom spanischen Sondergericht Audiencia Nacional angeordneten Polizeioperation gegen Herrira “eine absolute Verletzung der demokratischen Freiheiten und eine schwere Verletzung der Menschenrechte, der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit”.
Basque Friendship erklärt in einer Stellungnahme, dass ihre Mitglieder sich wiederholt mit Repräsentanten von Herrira getroffen haben. “Wir haben ihre Initiativen unterstützt, weil wir überzeugt sind, dass sie aus Respekt vor den Menschenrechten und aus der Ablehnung jedweder Gewalt mit ihrem Einsatz für die Rechte der Gefangenen und Flüchtlinge eine wichtige Aufgabe erfüllen. Wir betrachten sie als elementar für die politische Normalisierung und für einen dauerhaften Frieden im Baskenland.”
Die Abgeordneten erklären, dass die heutige Polizeiaktion “das völlige Fehlen des politischen Willens der spanischen Regierung in Bezug auf den Friedensprozess zeigt. Wir bedauern mit Nachdruck dieses inakzeptable Fehlen jeglicher Verantwortung Madrids und fordern die spanische Regierung auf, sich ein für alle Mal zu Frieden, zur Demokratie und zum Respekt vor den Menschenrechten und Bürgerrechten zu bekennen.”
“Wir, die Mitglieder von Basque Friendship, unterstützen den Weg hin zu einem dauerhaften Frieden im Baskenland und deshalb verurteilen wir auf das Schärfste den heutigen politischen und polizeilichen Angriff auf Herrira. Wir fordern die sofortige Freilassung der 18 Inhaftierten,” schliesst die Erklärung.
Herrira heisst auf baskisch “nach Hause” und ist eine offene und demokratische Organisation, die für die Rückkehr der Gefangenen und Flüchtlinge im Rahmen der friedlichen Lösung des baskischen Konflikts arbeitet. Im Januar 2013 folgten über 100.000 Basken ihrem Aufruf, für den Frieden und gegen strafverschärfende Sondergesetze für baskische politische Gefangene auf die Straße zu gehen.
Europa-Abgeordnete verurteilen Polizeiaktion gegen Herrira: "Wir haben ihre Initiativen unterstützt"