22.01.2012 | Stefan Natke, Donostia (Junge Welt vom 21.1.2012)

Am 14. Januar starb José Luis Álvarez Emparantza alias »Txillardegi«, Gründer der ETA

Im Alter von 82 Jahren ist am 14. Januar ist in Donostia (San Sebastian) »Txillardegi« verstorben, der als Gründer der Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) gilt. José Luis Álvarez Emparantza, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, war in Euskadi nicht nur als Gründer der bewaffneten Organisation bekannt, sondern auch als Philologe und Literat. Lange hatte er die Einstellung des bewaffnetes Kampfes herbeigesehnt, die von der ETA im Oktober 2011 verkündet wurde. Dadurch soll eine breite Mobilisierung des baskischen Volkes für Souveränität und Unabhängigkeit des seit 500 Jahren fremdbestimmten Landes unterstützt werden.

Txillardegi wurde 1929 in Donostia geboren und war bereits als junger Student in Bilbao in Auseinandersetzungen mit der spanischen Polizei verwickelt. Er engagierte sich in EKIN, der Jugendorganisation der damals in die Illegalität getriebenen baskischen Christdemokraten (PNV). Bald war Txillardegi jedoch von der Politik der PNV enttäuscht, die sich ausschließlich an den Interessen der USA ausrichtete. Er überzeugte den Großteil der EKIN-Mitglieder, sich von der PNV zu trennen und eine eigenständige Befreiungsorganisation aufzubauen, die auch bewaffnet agieren sollte. Man schrieb das Jahr 1959, die ETA wurde gegründet, und sogar deren berühmt gewordenes Symbol, die Axt mit der Schlange, soll aus der Feder ihres Gründers stammen.

Mit bewaffneten Aktionen gegen den Franco-Faschismus signalisierte die neue Organisation der baskischen Bevölkerung, daß man der Unterdrückung nicht machtlos gegenüberstand. Dadurch wurde sie zu einer Flamme, die den Widerstand der Basken gegen das Regime entzündete.

1967 verließ der ins Exil getriebene Txillardegi die ETA und kehrte 1976, nach dem Tod Francos, in den spanisch kontrollierten Teil des Baskenlandes zurück, um, wie er ankündigte, Politik zu machen. Als führendes Mitglied der »Euskal Sozialista Biltzarra« (ESB, Baskische Sozialistische Vereinigung) gehörte er 1978 zu den Mitbegründern des Bündnisses »Herri Batasuna« (HB), das erhebliche Wahlerfolge erzielen konnte und für die er Ende der 80er Jahre sogar in den spanischen Senat gewählt wurde. Nach dem Verbot der aus HB hervorgegangenen Batasuna, war Txillardegi eine Zeit lang Mitglied in deren legaler Abspaltung ARALAR, die sich öffentlich gegen die Weiterführung des bewaffneten Kampfes der ETA ausgesprochen hatte.

2007 erklärte er jedoch öffentlich seinen Austritt auch aus dieser Partei und organisierte sich in der traditionsreichen linksnationalistischen EAE/ANV, welche schon an der Volksfront­regierung der Spanischen Republik beteiligt gewesen war und 1939 nach dem Sieg der Faschisten von diesen verboten wurde. Dasselbe passierte dieser Partei 2008 unter der sozialdemokratischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero, wodurch Álvarez Emparantza erneut seine politische Heimat verlor. Bis kurz vor seinem Tod war er jeden Freitag auf den wöchentlichen Schweigemärschen mit den Fotos der baskischen politischen Gefangenen zu sehen, nicht selten trug er dabei das Foto seines Sohnes.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 21.1.2012

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