Brüssel „unterstützt weitere Bemühungen um die Entwaffnung der Untergrundorganisation ETA“
Es kommt Bewegung in den baskischen Friedensprozess. Ganz vorsichtig zeigt sich das in der Antwort auf eine Anfrage der Europaparlamentarierin Catherine Grèze. Die französische Grünen-Parlamentarierin hatte sich mit einer Anfrage zu diesem offenen Prozess an die EU-Kommission gewandt. Die Pariserin, die allerdings 2009 im französischen Südwesten kandidierte, in dem auch ein Teil des Baskenlandes liegt, hatte bereits am 17. Oktober 2011, die folgende parlamentarische Anfrage gestellt:
„Wir befinden uns derzeit an einem wichtigen Scheidepunkt des Friedensprozesses im Baskenland. Vor zwei Wochen wurde eine internationale Untersuchungskommission ins Leben gerufen, die den am 10. Januar 2011 von der baskischen Organisation ETA erklärten Waffenstillstand prüfen und kontrollieren soll. Die ETA hatte der Zusammenarbeit mit der Untersuchungskommission zugestimmt. Diese setzt sich aus hochrangigen Vermittlungs- und Abrüstungsexperten aus der ganzen Welt zusammen, deren Neutralität anerkannt wird. Wir als Europäer tragen Verantwortung dafür, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um den letzten Konflikt innerhalb der Europäischen Union zu lösen.
Beabsichtigt die Kommission, diese Untersuchungskommission anzuerkennen und sie als Gesprächspartner und zentraler Akteur bei der Lösung des Konflikts zu unterstützen?“
Dazu äußerte sich Cecilia Malmström etwas verspätet und ausweichend. Am 5.12.2011 erklärte die EU-Kommissarin für Innenpolitik, “weder die (EU-)Kommission noch die spanischen Institutionen sind mit der Internationalen Kommission zur Überprüfung der Waffenruhe im Baskenland, die von Herrn Currin geleitet wird, in Verbindung”. Der südafrikanische Anwalt Brian Currin hat die Kommission ins Leben gerufen und wird von der Nelson Mandela Stiftung und weiteren Friedensnobelpreisträgern der Brüsseler Erklärung unterstützt. Malmström bestätigte, dass die EU-Kommission “über die üblichen Kanäle über diese Initiative informiert” werde.
Erstaunlich war, weil es mit der Frage nichts zu tun hatte, dass Malmström zusätzlich “wärmstens den Waffenstillstand” der ETA begrüßt hat. Dabei hat die Organisation eine “allgemeine, dauerhafte und überprüfbare Waffenruhe” schon vor einem Jahr verkündet. Die EU-Innenkommissarin hatte dies wohl als Reaktion auf die weitere Entwicklung im Baskenland getan. Als Antwort auf die “Internationale Friedenskonferenz von Aiete” im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian hatte ETA am 20. Oktober erklärt, nach 52 Jahren “die bewaffneten Aktivitäten ein für alle Mal zu beenden”. (http://www.gara.net/paperezkoa/20111207/308155/es/Bruselas-afirma-que-apoyara-mas-pasos-hacia-desarme-ETA)
In einem Interview mit der baskischen Tageszeitung Gara hatte ETA außerdem deutlich gemacht, “die Entwaffnung auf der Agenda der Verhandlungen” zu haben. Auf der Friedenskonferenz war von Spanien und Frankreich auch gefordert worden, einen “direkten Verhandlungsprozess zu starten, der als Ziel eine Lösung für die Konsequenzen des Konflikts und damit ein Ende des bewaffneten Konflikts hat”. Indirekt hat sich nun die EU-Kommission in den Verhandlungsprozess eingeklinkt, denn Malmström sagte, die Kommission unterstütze „weitere Bemühungen um die Entwaffnung der Untergrundorganisation ETA“. Damit unterstützt auch Brüssel indirekt den Verhandlungsprozess. Und Gespräche sind längst im Gang, dies hat erst am Wochenende der Präsident der baskischen Sektion den spanischen Sozialisten (PSOE) bestätigt. Jesús Eguiguren weiß, wovon er spricht. Er saß im Friedensprozess 2006/2007 für die spanische Regierung unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero am Verhandlungstisch mit der ETA in Genf und in Oslo und hat an diesem Prozess federführende mitgewirkt. Der Dialog “laufe seit Langem”, sagte er in einem Interview. Obwohl das seine Parteiführung in Madrid dementiert hat, erklärt er, sogar die Abschlusserklärung der Friedenskonferenz sei zwischen Regierung und ETA abgestimmt worden, obwohl weder die Regierung noch ETA offiziell an der Konferenz teilgenommen hatten.
Dort hatte Kofi Annan von allen Beteiligten “außerordentlichen Mut” gefordert, um den „letzten bewaffneten Konflikt in Europa” beenden zu können. Eguiguren fordert nun seine Partei auf, eindeutig Farbe zu bekennen. Schließlich geht es darum, nachdem die PSOE die Wahlen am 20. November grandios verloren hat, eine Friedenslösung abzusichern. Wie sich der Wahlsieger, der ultrakonservative Mariano Rajoy, verhalten wird, ist derzeit unklar. Seine Volkspartei (PP) hatte den Friedensprozess 2006/2007 mit allen Mitteln torpediert. Rajoy, der erst am 21. Dezember sein Amt als Regierungschef übernehmen wird, hält sich angesichts der weitreichenden Entscheidungen der ETA bisher aber alle Türen offen. Im Wahlkampf ermahnte er seine Parteifreunde, “bedachtsam” mit der Situation umzugehen.
Die Anfrage der Europaparlamentarierin war dazu gedacht, vor der Amtseinführung des Konservativen die Position der EU-Kommission zum Friedenprozess zu klären. Erstmals hat damit der “Baskische Freundeskreis” (http://basquefriendship.wordpress.com) im Europaparlament, dem Catherine Grèze angehört, wieder einen klaren Erfolg für seine Ziele verzeichnen können, eine Friedenslösung zu fördern. Der Gruppe hatte sich 2006 gegründet und ihr stand damals Dr. Helmuth Markov von der deutschen Linkspartei vor, der nun Finanzminister in Brandenburg ist. Derzeit befindet sich kein Deutscher oder Österreicher in der Gruppe, die sich aus 14 Parlamentariern aus acht verschiedenen Ländern zusammensetzt. Zwar sind Linke und Grüne in der Mehrzahl, doch mit dem Tschechen Csaba Sógor befindet sich auch ein Mitglied der konservativen Volkspartei in der Gruppe.
© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 07.12.2011
Siehe auch:
Erklärung von Aiete der Internationalen Moderatoren in deutscher Übersetzung: weiterlesen >>
Info Baskenland Schwerpunktseite zur Konfliktlösung: weiterlesen >>