Baskisches Linksbündnis Amaiur feiert Erfolg bei spanischen Parlamentswahlen
Auch im Baskenland bescherte der Wahlsonntag der sozialdemokratischen PSOE des bisherigen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero dramatische Verluste. Das Ergebnis ihrer baskischen Regionalgruppe PSE fiel um 16 Prozentpunkte auf unter 22 Prozent. Aber im Gegensatz zum Spanientrend, der der rechten Partido Popular (PP) die absolute Mehrheit einbrachte, mußte die PP im Baskenland sogar leichte Stimmenverluste hinnehmen und kann weiterhin nur fünf Abgeordnete aus dem Baskenland nach Madrid schicken.
Die Sensation in den vier Provinzen(*), die das unter spanischer Verwaltung stehende südliche Baskenland bilden, ist der Wahlsieg des baskischen Linksbündnisses Amaiur, das über 22 Prozent der Stimmen gewann und sieben Abgeordnete entsenden wird. Amaiur ist damit die größte baskische Gruppe in Madrid und liegt vor den bislang dominierenden Kräften im Baskenland, der derzeit noch regierenden PSE und der baskischen konservativen PNV, die beide je fünf Parlamentarier in die Cortes Generales schicken.
Die baskische Linke hatte ihr Bündnis im Vergleich zu den Kommunalwahlen vom Mai 2011 verbreitert und konnte deren hervorragendes Ergebnis noch überbieten. Der Unterschied zu den letzten spanischen Parlamentswahlen könnte nicht größer sein. Im Jahr 2008 waren sämtliche Gruppierungen der Abertzalen Linken(**) verboten. Heute ist diese illegalisierte Unabhängigkeitsbewegung im Wahlbündnis Amaiur stärkste Kraft, allerdings ist sie nicht mit ihrer neuen Partei Sortu vertreten. Um deren Zulassung kämpft sie noch vor dem spanischen Verfassungsgericht.
Amaiur hatte mit Nachdruck auf die Bedeutung dieser Wahl hingewiesen. Nach dem Ende des bewaffneten Kampfes der Organisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) gehe es um die neue Bestimmung des Kräfteverhältnisses zwischen den vier großen Parteien im Baskenland. Auf der einen Seite stehen Amaiur und PNV, die für die vier Provinzen das Recht fordern, selbst zu entscheiden. Auf der anderen Seite stehen die Regionalgruppen der großen Parteien PP und PSE, für die der spanisch verwaltete Teil des Baskenlands, die Baskische Autonome Gemeinschaft und Nafarroa (spanisch: Navarra), einfach zwei Regionen des Königreichs sind.
Als nächste Aufgabe stehe an, die spanische Regierung dazu zu bewegen, ihren Teil zur Lösung des Konflikts beizutragen. »Sehen Sie sich die Ergebnisse im Baskenland an und agieren Sie mit Weitsicht«, fordert Iñaki Antigüedad, einer der neuen Abgeordneten Amaiurs, noch in der Wahlnacht den künftigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy auf.
Die Wahl zum spanischen Parlament werde wie ein Bumerang wirken, hatte Antigüedad im Wahlkampf erklärt. Zuerst werde damit das Kräfteverhältnis der Parteien im Baskenland für die anstehende politische Auseinandersetzung mit Madrid bestimmt. Wenn die Linke weiter so konsequent wie bisher ihren dadurch gewachsenen Handlungsspielraum nutze und den Konfliktlösungsprozeß führe, werde sie an Stärke zulegen, was sich dann in den nächsten Wahlen im Baskenland widerspiegeln werde. Der Bumerang fliege dann mit vermehrter Kraft zurück.
Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 22. November 2011
Erläuterungen:
(*) Das Baskenland und seine Provinzen: Das Baskenland, Euskal Herria, besteht aus sieben Provinzen. Es umfasst 20 000 km2 und hat eine Bevölkerungszahl von etwa 3 Millionen. Das Baskenland ist derzeit geteilt: Lapurdi, Nafarroa Beherea und Zuberoa befinden sich unter französischer Verwaltung. Die drei Provinzen sind dabei keine Verwaltungseinheit, sondern ohne Eigenständigkeit in andere Departements eingegliedert. Die südlichen vier Provinzen befinden sich unter spanischer Herrschaft: Bizkaia, Gipuzkoa und Araba bilden als Comunidad Autonoma Vasca (CAV, Autonome baskische Gemeinschaft) eine Einheit. Nafarroa hat eine separate Regionalverwaltung (CFN, Foralgemeinschaft Navarra). In den Medien wird oft das Baskenland mit der Comunidad Autonoma Vasca gleichgesetzt.
(**) Abertzale Linke: die Bedeutung des Begriffs „abertzale“ in „abertzale Linke” ist eng verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen- , Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff „abertzale“ nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.