50.000 fordern in Bilbao eine politische Lösung des Konflikts unter dem Motto: »Euskal Herriak konponbidea nahi du – Das Baskenland will eine Lösung«
Es war eine der gewaltigen unter den vielen großen Demonstrationen der letzten Zeit. Annähernd 50.000 Menschen strömten am Samstagnachmittag durch die Straßen von Bilbo (spanisch: Bilbao). Kaum 48 Stunden nachdem ETA das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündet hatte, demonstriert ein beachtlicher Teil der baskischen Gesellschaft für eine Lösung des politischen Konflikts. Aufgerufen hatten die Unterstützer des Abkommens von Gernika, eines breiten Bündnisses von Parteien, Organisationen und Gewerkschaften links von der baskischen konservativen PNV. Dem Bündnis war vor einigen Wochen auch das Kollektiv der baskischen politischen Gefangenen beigetreten.
Die Friedenskonferenz, die am vergangenen Montag unter Beteiligung des ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan und weiterer hochrangiger internationaler Persönlichkeiten stattgefunden hatte, habe mit der Erklärung von Aiete „ein Fenster geöffnet, das uns frischen Wind brachte“, erklären Belén Arrondo und Ainhoa Etxaide im Namen der Unterzeichner des Gernika-Abkommens auf der Abschlusskundgebung vor dem Rathaus der Stadt. Das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA sei „eine gute Nachricht für die baskische Gesellschaft, die uns einem Friedensszenario näher bringt.“
In baskischer und in spanischer Sprache fordern die beiden baskischen Gewerkschafterinnen Madrid und Paris auf, nun „mit ETA Verhandlungen aufnehmen, um einen Ausweg aus den Konsequenzen jahrzehntelanger bewaffneter Auseinandersetzung zu finden“. Außerdem müsse man einen politischen Dialog über die Ursachen des Konflikts aufnehmen. „Denn ein künftiges demokratisches Zusammenleben lässt sich nur durch Zustimmung aller politischen Kulturen des Landes erreichen“, erklärten Arrondo und Etxaide. Das Heft des Handelns werde sich die baskische Gesellschaft dabei nicht aus der Hand nehmen lassen.
Die beiden Spitzenkandidaten der großen spanischen Parteien bemühen sich derweil in ungewohnter Gemeinsamkeit darum, das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA als Erfolg ihrer Polizeistrategie zu deuten. „Wir haben ihnen die Bomben genommen und von heute an werden wir ihnen mit der Kraft der Demokratie die Stimmen nehmen“, erklärte der Spitzenkandidat der spanischen Regierungspartei PSOE Alfredo Pérez Rubalcaba auf einer Wahlkampfveranstaltung im baskischen Donostia (spanisch: San Sebastián). Der ehemalige Innenminister der spanischen Regierung hat mit dem Widerspruch zu kämpfen, dass die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung mit ihrer Friedensinitiative seit zwei Jahren erfolgreich die Agenda setzt. Die spanische Regierung ist damit gescheitert, diese Initiative durch Parteienverbote und Verhaftungen politischer Aktivisten im Keim zu ersticken.
Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 24.10.2011
Foto (Klaus Armbrüster, Bilbo): »Euskal Herriak konponbidea nahi du – Das Baskenland will eine Lösung« – hinter dieser Forderung standen Zehntausende in Bilbao