Die internationale Friedenskonferenz fordert neben der “definitiven Einstellung der bewaffneten Aktivitäten” der ETA auch von Spanien und Frankreich und Verhandlungen und eine Wiedergutmachung für “alle Opfer” des baskischen Konflikts. Während die baskische Linke sich hinter die Forderungen stellt, wird Spanien für seinen Boykott der internationalen Konferenz immer stärker kritisiert.

Der Prozess zur friedlichen Beilegung des baskischen Konflikts hat am Montag einen großen Schritt nach vorne gemacht. Im Seebad Donostia (spanisch San Sebastian) wurden auf der “Internationalen Konferenz zur Förderung einer Lösung des Konflikts im Baskenland” Lösungsvorschläge erörtert. Unter den Vermittlern befand sich auch der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, der von allen Konfliktparteien “außerordentlichen Mut” forderte, “um den letzten bewaffneten Konflikt in Europa” zu beenden und die “Gewalt durch Dialog und Politik” zu ersetzen.

Für die Vermittlergruppe verlas der irische Ex-Premierminister Bertie Ahern die Abschlusserklärung, die man hier auch in deutscher Sprache findet. Zu der Vermittlergruppe gehörte auch der Vorsitzende der irischen Sinn Féin-Partei Gerry Adams, die norwegische Ex-Regierungschefin Gro Harlem Bruntland und der ehemalige französische Innen- und Verteidigungsminister Pierre Joxe. Der britische Ex-Premier Tony Blair hatte als Vertreter den Ex-Chefunterhändler für den Nordirland-Konflikt Jonathan Powell entsandt. Die Gruppe betonte, man sei nicht gekommen, um den Bürgern, den Politikern oder verschiedenen Akteuren im Land etwas zu diktieren. Man sei vielmehr in der Hoffnung gekommen, “aus den eigenen Erfahrungen in der Lösung langwieriger Konflikte in unseren Gesellschaften und Völkern und aus anderen Konflikten, zu deren Lösung wir beigetragen haben, Ideen beisteuern zu können”.

Nachdem die Stellungnahmen aller Beteiligten gehört waren, wurde als erster Schritt von der ETA die “definitive Einstellung der bewaffneten Aktivitäten” gefordert. Den Schritt sollte die spanische und französische Regierung mit einem “Dialog” beantworten, der “ausschließlich die Konfliktkonsequenzen behandeln soll”. Dazu müsse es Schritte zur Versöhnung geben und “alle Opfer” auf beiden Seiten und der “angerichtete Schmerz” müsse anerkannt werden. Dazu gehören neben den Opfern der staatlichen Todesschwadrone (GAL) oder die Angehörigen der etwa 800 Gefangenen.

Dass es vor allem in Spanien an der Bereitschaft zur Friedenslösung weiter mangelt, hatte vor der Konferenz schon die massive Repression gegen politische Vertreter der baskischen Linken gezeigt. Doch auch die Konferenz selbst hat das deutlich gemacht. Nahmen neben dem französischen Sozialisten Joxe auch Vertreter von Nicolas Sarkozys konservativer UMP an der Konferenz teil, lehnte die spanische Rechte dies ab. Die große postfaschistische Volkspartei (PP), der alle Umfragen einen Wahlsieg bei den vorgezogenen Neuwahlen am 20. November vorhersagen, sprach von einer “Wahlkampfpropaganda für die Unterstützer der ETA”.

Weder die Madrider Regierung noch die regierenden Sozialisten (PSOE) hatten aus Angst, dass die PP mit ihrer Propaganda der PSOE weitere Stimmen abnehmen könnte, Vertreter nach Donostia entsandt. Nur für die baskische Sektion nahm der sozialistische Präsident Jesús Egiguren teil, der gegen alle Widerstände in der Partei stets am Dialog zur friedlichen Beilegung des Konflikts festhielt, während seine Partei vor allem auf Repression und Verbote gesetzt hat. Egiguren hat nun im Interview seinen “Lehendakari” (baskischer Regierungschef) schwer kritisiert. Patxi Lopez, der nur über Wahlmanipulationen an die Macht gekommen ist, hatte keinen Vertreter seiner Regierung entsandt. Egiguren erklärte seine Enttäuschung über seine Partei und Patxi Lopez. Der hätte sich vollständig in dem Prozess “verbrennen müssen, um den Frieden zu erreichen”. Egiguren spricht sich seinen Frust von der Seele über die mangelnde Führungskraft der Sozialdemokraten insgesamt und der im Baskenland im Besonderen: “Ich bin total verärgert, denn in diesem Prozess bin ich auf wenig Verständnis in meiner Partei gestoßen.” Er wurde beschränkt und musste sogar als Präsident der baskischen Sektion den Mund halten, um nicht Lopez zu diskreditieren. Doch jetzt scheint ihm der Kragen geplatzt zu sein. “Als Sozialisten haben wir eine Möglichkeit verpasst, dem Frieden eine Fahne zu geben.”

Doch auch in Spanien nimmt die Zahl derer zu, die daran glauben, dass die Friedensinitiativen der baskischen Linken eine historische Chance darstellen. Sie hat die ETA zur ihrer längsten Waffenruhe gedrängt, die erstmals von einer internationalen Kontaktgruppe überprüft wird. Deshalb nahmen neben allen baskischen Parteien und Gewerkschaften auch die beiden großen spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT an der Suche nach einer Friedenslösung teil. Anders als die spanischen Parteien unterstützt die linke Unabhängigkeitsbewegung das Ergebnis der Konferenz und die Erklärung ohne Abstriche. Wie der Freundeskreis im EU-Parlament hat auch sie das Fehlen Spaniens auf der Konferenz kritisiert. Und während in deutschen Medien, von einer “Farce einer Friedenskonferenz” fabuliert wird, haben der Ex-US-Präsident Jimmy Carter, Tony Blair und der Senator George Mitchell die Konferenz und ihre Ergebnisse ausdrücklich unterstützt.

Als Ergebnis der Konferenz wurd die Bedeutung der gesamten Gesellschaft für einen dauerhaften Frieden herausgestrichen. Nach dem Dialog und den Verhandlungen der Politiker sollte die Bevölkerung das letzte Wort in einem Referendum erhalten, weil “das zu einer neuen Ära ohne Konflikt beiträgt”. Das ist aber genau die Formel, welche die baskische Linke seit vielen Jahren vorschlägt. Doch das die Basken über ihre Zukunft entscheiden können, stellte bisher stets eine zu hohe Hürde für Spanien dar.

© Ralf Streck den 19.10.2011

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