Der Druck auf Madrid, sich endlich konstruktiv am möglichen Friedensprozess im Baskenland zu beteiligen, steigt. Jetzt unterstützen auch der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, der britische Ex-Premier Anthony „Tony“ Blair und der US-Senator George Mitchell eine politische Lösung des baskisch-spanisch-französischen Konflikts. Die drei Politiker unterzeichneten nachträglich die „Erklärung von Aiete“, wie die baskische Tageszeitung Gara am Mittwochnachmittag auf ihrer Internetseite mitteilte. Damit erhalten die baskischen und internationalen Verfechter einer Verhandlungslösung weiter Rückendeckung, nachdem Madrid und Paris ablehnend auf die Initiative reagiert haben.
Erklärung von Aiete
Die Erklärung ist das Ergebnis der Internationalen Konferenz zur Förderung einer Lösung des Konflikts im Baskenland, die am Montag in der baskischen Küstenstadt Donostia (span. San Sebastián) tagte. Das Treffen fand im Palast von Aiete statt, der dem faschistischen Diktator Francisco Franco bis Mitte der 1960er Jahre als Sommerresidenz gedient hatte. Das Erstarken der 1958 gegründeten Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) veranlasste den General, sich ein anderes Urlaubsdomizil zu suchen. Das neue von der linken Parteienkoalition geführte Bürgermeisteramt von Donostia bezeichnete am Montag den Palast als das „Haus des Friedens“.
“Im Dienst der ETA”
Weniger friedvoll hat die gesamtspanische Politik auf die Vorschläge der sechs internationalen Vermittler um den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan reagiert. Die rechtskonservative Tageszeitung ABC versah das ganzseitige Photo des Sextetts auf seiner Titelseite mit der Überschrift: „Im Dienste der ETA“. Im Innenteil ging es entsprechend weiter. Dort analysierten zwei Redakteure „die Sprache des Terrorismus“, die sie in der Erklärung von Aiete ausgemacht haben wollen. So kritisieren sie, dass dort eben nicht von „Terrorismus“ gesprochen wird, sondern von einem „Konflikt“. Die Vertreter diverser Vereinigungen von ETA-Opfern fanden bei ABC, La Razón und anderen rechtsstehenden Zeitungen eine breite Plattform, um sehr emotional gegen die Konferenz und ihre Teilnehmer zu wettern.
Postfranquistische Geschichtsklitterung
In dieselbe Breche schlug auch der Vorsitzende des baskischen Landesverbandes der postfranquistischen Volkspartei (PP), Antonio Basagoiti. Er schrieb am heutigen Mittwoch einen offenen Protestbrief an Kofi Annan. Dem UN-Generalsekretär wirft er vor, mit der Erklärung hätten er und sein Team „die traditionellen Forderungen von Batasuna [der verbotenen Linkspartei, IN]“ und „die politischen Ansinnen der ETA“ zu Papier gebracht. Ferner stellt er die ETA auf dieselbe Stufe mit dem norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik, weil die ehemalige norwegische Regierungschefin Gro Harlem Bruntland zu Annans internationaler Equipe zählte. Das Schreiben gipfelt in einem Nazi-Vergleich, der abstrus klingen mag, aber typisch für die PP ist, die sich in der Rolle der Juden und die ETA in der der Nazis wähnt: „Wie gut, dass man die Mittel und Ziele von Hitlers Projekt niederkämpfte, denn wenn man es nicht getan hätte, könnten Europa und ein guter Teil der Welt heute Nazi-Regierungen haben.“ Das schreibt ein Politiker, dessen Partei sich mit Manuel Fraga Iribarne einen Franco-Minister als Ehrenpräsidenten hält und spanienweit nichts unversucht lässt, um die Franco-Diktatur zu rehabilitieren. Nur nebenbei: Spanien war ein wichtiger Zufluchtsort für hochrangige Nazi-Verbrecher wie zum Beispiel die SS-Offiziere Otto Skorzeny und Leon Degrelle.
Warten auf die ETA
Im Gegensatz zu Basagoiti hat sich sein Parteichef und Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen am 20. November 2011 (übrigens Francos-Todestag), Mariano Rajoy, nicht öffentlich zu der Konferenz geäußert. Das überlässt er den Hardlinern, die den sozialdemokratischen Premier José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) für das Zustandekommen der Erklärung verantwortlich machen. Ex-Innenminister und Sprecher der PP-Gruppe im EU-Parlament Jaime Mayor Oreja verdächtigt die PSOE-Regierung erneut, mit der ETA wie schon 2005 geschehen in geheimen Verhandlungen zu stehen.
Danach sieht es beim besten Willen nicht aus.
Im baskischen Landesverband der PSOE ist ein heftiger Streit zwischen dem Vorsitzenden, Jesús Eguiguren, und seinem Ministerpräsidenten der Autonomen Baskischen Gemeinschaft, Patxi López, gekommen. Letzterer zog es vor, in die USA zu reisen, anstatt während der Konferenz wenigstens im Land zu bleiben. Eguiguren wirft ihm nun vor, er hätte sich mehr ins Zeug legen müssen. Dieser gab postwendend zurück, dass er alles getan habe, „um den Frieden und die Freiheit zu erlangen“.
Konsens zwischen PSOE und der PP, die die nächste Regierung stellen könnte, ist, dass die ETA in Kürze das Ende ihres bewaffneten Kampfes erklären könnte. Der heutige Schritt von Carter, Blair und Mitchell lässt das noch wahrscheinlicher erscheinen. Das politische Madrid spekuliert weiter darüber, ob das vor oder nach den Wahlen geschehen wird. So oder so steigt der Druck auf die noch amtierende und auch auf die zukünftige Regierungspartei, ihre Blockadepolitik aufzugeben und sich konstruktiv an der Konfliktlösung zu beteiligen.