Die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA; Baskenland und Freiheit) soll das Ende ihres bewaffneten Kampfes erklären sowie der spanischen und französischen Regierung ein Gesprächsangebot unterbreiten. Sobald das geschehen sei, sollen Madrid und Paris diesem entsprechen. Das sind zwei von fünf Vorschlägen, die die Teilnehmer der Internationalen Konferenz zur Beilegung des Konflikts im Baskenland am Ende ihres eintägigen Treffens in der baskischen Küstenmetropole Donostia (span.: San Sebastián) heute den Konfliktparteien unterbreitet haben. Dem Treffen sassen der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, die ehemaligen Regierungschefs von Irland und Norwegen, Bertie Ahern und Gro Harlem Bruntland, die Verhandlungsführer im Nordirland-Konflikt Gerry Adams (Irland) und Jonathan Powell (Großbritannien) sowie der ehemalige französische Innen- und Verteidigungsminister Pierre Joxe vor.

Dialog und Bürgerbefragung

Nach der dreistündigen Zusammenkunft mit Vertretern baskischer Parteien und Gewerkschaften von beiderseits der Pyrenäengrenze traten sie gemeinsam vor die Presse. Ahern verlas ein kurzes Kommuniqué, in dem er neben den beiden genannten Punkten noch drei weitere Aspekte aufzählte, die den Frieden ermöglichen können. So rufen die Experten alle auf, „weitreichende Schritte zu unternehmen, um bei der Versöhnung, dem Anerkennen, Entschädigen und der Hilfe aller Opfer und dem Anerkennen des zugefügten Schmerzes und bei der Hilfe, die persönlichen und gesellschaftlichen Wunden zu heilen, voranzukommen.“ In diesem Sinne raten sie allen „nichtgewalttätigen Akteuren“ und politischen Vertretern, „dass sie sich versammeln und politische und andere damit verbundene Fragen diskutieren“. Dazu zählen sie auch eine Bürgerbefragung. Alles in allem könnte das „zu einer neuen Ära ohne Konflikt beitragen“, so die Experten weiter. Bei dem Dialog könnten, so ihre Erfahrung, auch Beobachter oder Vermittler hilfreich sein. Zuguterletzt zeigte sich das Sextett bereit, ein Komitee zu organisieren, das bei dieser Arbeit behilflich sein könnte.

Ignoranz und Ablehnung in Madrid

In Madrid reagierten Regierung und Opposition weiterhin mit Ignoranz und Ablehnung auf die Vorschläge. Weder die Zentral- noch die Regionalexekutive waren vertreten. Die regierende Sozialistische Spanische Arbeiterpartei (SPOE) von Premier José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) schickte zwei Vertreter des baskischen Landesverbandes zu der Konferenz. Diese zelebrierten das Treffen als das „Ende der ETA“. Die postfranquistische Volkspartei (PP) boykottierte die Konferenz und wollte das Kommuniqué der internationalen Experten nicht kommentierten. Im Vorfeld der Veranstaltung hatten PP-Vertreter und ihrer Partei nahestehende Medien Kofi Annan und seine Mitstreiter harsch attackiert (info-baskenland berichtete). Dieser Linie folgten nach der Konferenz die verschiedenen PP-nahen Vereinigungen von ETA-Opfern. Sie zeigten sich kompromisslos und forderten erneut eine harte Bestrafung aller ETA-Mitglieder.
Mit Blick auf die unmittelbare Zukunft des angestrebten Friedensprozesses stellen sich zwei wichtige Fragen: Wann wird die ETA ihren bewaffneten Kampf einstellen – vor oder nach den vorgezogenen Neuwahlen? Und wie stark wird die PP aus den Wahlen am 20. November 2011 hervorgehen?

Wann legt die ETA die Waffen nieder?

Dass die Untergrundorganisation die Waffen endgültig niederlegen wird, steht außer Frage, nachdem im September das Kollektiv der Politischen Baskischen Gefangenen (EPPK) dem Abkommen von Gernika beigetreten ist. Damit hat es wie alle anderen Unterzeichner beschlossen, nur noch mit politischen Mitteln für seine politischen Ziele zu kämpfen. Spätestens seit dieser historischen Entscheidung liegt die Generallinie zwar fest, aber wie schnell die ETA auf dieser fortschreiten wird, hängt von zwei Faktoren ab: Erstens muss die Gefangenenfrage gelöst werden, das heißt, über 700 EPPK-Mitglieder müssen zumindest in Gefängnisse nahe des Baskenlandes verlegt, wenn nicht gar amnestiert werden. Und zweitens muss das Madrider Verfassungsgericht die linke Unabhängigkeitspartei Sortu zulassen. Letzteres liesse sich bestenfalls als Geste des guten Willens werten, weil die Formation aus terminlichen Gründen nicht mehr bei den spanischen Parlamentswahlen antreten könnte.

Wie stark wird die PP?

Dass die postfranquistische Volkspartei die nächste Regierung in Madrid stellen wird, belegen die aktuellen Umfragen. Die Frage ist lediglich, ob sie die absolute Mehrheit erhalten wird oder nicht. Spaniens führende Tageszeitung El País meldete am Sonntag, dass Mariano Rajoys Partei zurzeit mit 45 Prozent der Stimmen rechnen kann. Damit läge die PP 15 Punkte vor der PSOE, die sich auf ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Ende der Franco-Diktatur einstellen muss. Falls es doch nur für eine einfache Mehrheit reichen würde, wären die Postfranquisten auf die Unterstützung durch regionale Parteien, wie die christdemokratische Baskische Nationalpartei (PNV), angewiesen. Mit diesem Szenario ist aber im Moment nicht zu rechnen. Daher stellt sich eine weitere Frage: Wird die PP wegen einer absoluten Mehrheit weiterhin eine politische Lösung des Konfliktes mit dem Baskenland ablehnen oder nutzt sie die Gelegenheit, um einem dauerhaften Frieden den Weg zu ebnen?

  siehe auch: Kofi Annan kommt zu baskischer Friedenskonferenz

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