Werden auch deutsche Altbundeskanzler und Bundespräsidenten a.D. Schirmherren des geplanten baskischen Friedensprozesses sein? Diese Frage wird sich spätestens am Montag klären, wenn in Donostia (span. San Sebastián) die Internationale Konferenz zur Lösung des Konflikts stattfinden wird. Es leitet sie der ehemalige britische Chefunterhändler im Nordirland-Konflikt, Jonathan Powell.
Als Organisatoren fungieren zum einen die Internationale Kontaktgruppe des südafrikanischen Mediators Brian Currin und zum anderen die baskische Nichtregierungsorganisation Lokarri, die sich auf die Beilegung des Konflikts spezialisiert hat. (Foto, GARA, 13.10.2011: Jonathan Powell – Mitte – gibt auf einer Pressekonferenz im Baskenland die Nachricht bekannt. Das offene Fenster symbolisiert die Chance, den Konflikt zu beenden).
Altbundeskanzler und -bundespräsidenten beteiligt?
Die baskische Tageszeitung Deia hat in einem Vorabbericht zu der Veranstaltung festgestellt, dass neben ehemaligen Regierungsvertretern aus Norwegen auch „expresidentes“ aus Deutschland anwesend sein werden. Der spanische Begriff meint sowohl Ex-Regierungschefs als auch Präsidenten. Ob ein Vertreter der spanischen Zentralregierung an dem Treffen teilnehmen wird, ist zurzeit noch offen. Nach offizieller Lesart weiss die Regierung von Premier José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) von nichts und sie sei auch nicht eingeladen worden, heißt es aus Regierungskreisen. Die oppositionsnahen Medien ergehen sich in Spekulationen, wer die Veranstaltung finanziert und die Teilnehmer bezahlt.
„Den Konflikt beenden“
Letztere lassen keinen Raum für Spekulationen, sondern sagen offen, weshalb sie ins Baskenland kommen. „Das ist der letzte Konflikt in Europa und es ist an der Zeit, ihn zu seinem Ende zu bringen“, stellte Powell auf einer Pressekonferenz am Dienstag klar. Pierre Hazan von der Internationalen Kontaktgruppe sieht in der Zusammenkunft „einen neuen Beitrag der internationalen Gemeinschaft in diesem Moment, in dem die baskische Gesellschaft die Hoffnung wiedergewonnen hat.“
In den letzten beiden Jahren hat vor allem die linke Unabhängigkeitsbewegung den Mut und die Kraft aufgebracht, um einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Dieser führte letztendlich dazu, dass die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) im Januar 2011 einen „allgemeinen, dauerhaften und verifizierbaren Waffenstillstand“ ausrief. Mittlerweile ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass sie in absehbarer Zeit das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkünden könnte. Kürzlich trat das Kollektiv der Baskischen Politischen Gefangenen (EPPK) dem „Abkommen von Gernika“ bei. Dessen Unterzeichner – mehr als 30 zivilgesellschaftliche Gruppen, Organisationen und Parteien – verpflichten sich darin, unter Ausschluss jeglicher Form von Gewalt für ihre Ziele zu kämpfen. Die ETA und die spanische Regierung riefen sie auf, „Entscheidungen zu treffen und Initiativen zu starten, die das beschriebene Szenario ermöglichen, ein gewaltfreies Szenario, abgesichert durch Garantien, und gekennzeichnet durch zunehmende politische Normalisierung“.
Internationales Backing
Diese Entwicklung fand Unterstützung auf internationaler Ebene, wo vier Friedensnobelpreisträger und Akteure aus den Konflikten in Nordirland und Südafrika die „Brüsseler Erklärung“ unterschrieben. Anfang Oktober (info-baskenland berichtete) reiste eine hochrangige internationale Expertenkommission nach Spanien und ins Baskenland, um den Waffenstillstand der ETA – ohne Zustimmung Madrids – zu verifizieren.
Trotz dieser Entwicklungen zeigen bisher weder die PSOE-Regierung noch die postfranquistische Volkspartei die geringste Bereitschaft, sich konstruktiv an der Lösung des Konflikts zu beteiligen. Besonders die PP, die am 20. November 2011 die vorgezogenen Neuwahlen gewinnen könnte, will ausdrücklich die „Niederlage“ der ETA erreichen und besteht darauf, dass es dabei „Sieger und Besiegte“ geben muss.
Diese Blockadehaltung wollen die internationalen Friedensvermittler mit der Konferenz am kommenden Montag auflösen. Schützenhilfe erhalten sie dabei von angesehenen Instituten für Konfliktforschung und -lösung wie der deutschen Berghof Foundation, Concilition Resources (Grossbritannien), The Desmond and Leah Tutu Legacy Foundation (Südafrika) und NOREF (Norwegen).
Hinweis von Info Baskenland:
Studie “The Basque Country – the Long Walk to a Democratic Scenario“
In der Reihe “Berghof Transitions Series” der Berghof Stiftung werden Fallstudien im Rahmen des Programmes ‘Nichtstaatliche bewaffnete Akteure im Wandel‘ veröffentlicht. Eine der Studien beschäftigt sich mit dem Baskenland. Sie erschien Anfang 2010 in englischer Sprache.
Die Studie wurde von Urko Aiartza, einem baskischen Menschenrechtsanwalt, und Dr. Julien Zabalo, Professor an der Universität des Baskenlandes, in enger Absprache mit führenden Vertretern der Pro-Unabhängigkeitsbewegung, verfasst. Die Autoren analysieren die Entwicklung des Konfliktes zwischen dem spanischen Staat und dem Baskenland von der Entstehung der Euskadi Ta Askatasuna (ETA) 1958 bis heute. Im Mittelpunkt stehen dabei die verschiedenen Vermittlungs- und Verhandlungsversuche zur Lösung des Konflikts.
Sie steht bei der Berghof Stiftung als PDF elektronisch zur Verfügung: zum Download >>
Die Studie kann bei der Berghof Stiftung und bei Info Baskenland auch als Broschüre erworben werden.