Die spanische Staatsanwaltschaft hat beim Obersten Gerichtshof Spaniens das Verbot aller Listen der neuen baskischen Wahlplattform Bildu (Versammeln) beantragt.
Spanien ist berüchtigt für die Ausdehnung des Begriffs “Terrorismus” auf baskische politische Organisationen und Aktivisten. In den letzten acht Jahren wurde eine Vielzahl von Listen oder Parteien der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung mit der Begründung verboten, sie seien von ETA gesteuert. Damit grenzt die spanische Regierung inzwischen einen beachtlichen Teil der baskischen Bevölkerung systematisch aus den parlamentarischen Institutionen aus.
Dass sie diese Begründung nun auch auf die im März 2011 gebildete Wahlplattform Bildu ausdehnen will, hat im Baskenland parteiübergreifend Entsetzen ausgelöst. Bildu wurde von den beiden sozialdemokratischen Parteien Eusko Alkartasuna (EA) und Alternatiba gegründet. Die Wahlplattform soll ein Bündnis aller politischen Kräfte sein, die auf demokratischem und friedlichem Wege unter Ablehnung von Gewalt für linke Politik und ein unabhängiges Baskenland eintreten. Die Wahlplattform steht auch für unabhängige Kandidatinnen und Kandidaten offen.
Die spanische Staatsanwaltschaft behauptet nun, die Gründung von Bildu sei im Auftrag der ETA erfolgt. Die Sprecher von Bildu weisen das zurück. Es sei völlig aberwitzig, wenn “eine explitzite Zurückweisung der Gewalt von ETA”, wie sie in ihren Statuten enthalten sei, zur “Strategie von ETA” erklärt wird.
Hilfe erhält Bildu aus weiten Kreisen der baskischen Gesellschaft. Der ehemalige Lehendakari (Ministerpräsident) der Baskischen Autonomen Gemeinschaft (CAV) Carlos Garaikoetxea, der in den 80er Jahren EA als Abspaltung der konservativen PNV gegründet hatte, spricht von einer “Verwirrung in der Interpretation”. Falls die Wahlen im Mai 2011 tatsächlich unter Ausschluss von Bildu stattfänden, müsse man sie später in Europa annulieren lassen.
Urkullu, Präsident des Führungszirkels der konservativen baskischen PNV erklärt, dass die Zusammenarbeit seiner Partei mit Madrid ausdrücklich eine Anerkennung der “neuen Zeiten im Baskenland” beinhaltet. “Die PNV versteht nicht und kann nicht verstehen, dass man nicht die Situation und die Stabilität nutzt, um die politische Normalisierung im Baskenland voranzubringen.” Das beinhaltet nach Meinung von Urkullu auch die Teilnahme von Bildu an den Wahlen. Er droht Madrid im Falle eines Verbotes von Bildu an, die Zusammenarbeit zu überdenken.
Selbst der derzeitige Lehendakari der CAV, Patxi Lopez, der der baskischen Regionalgruppe PSE der Sozialistischen Spanischen Arbeiterpartei (PSOE) angehört, gab seinen spanischen Parteifreunden zu Bedenken, dass “eine ungeheuere Mehrheit der Basken” überzeugt sei, dass “weder EA noch Alternatiba nach einer ETA-Strategie handeln”.
Die Friedensinitiative, die die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung im Februar letzten Jahres gestartet hatte, ist Grundlage der neuen Entwicklung. Ihr einseitiger Verzicht auf Gewalt und ihre Festlegung auf ausschliesslich friedliche und demokratische Mittel zur Erreichung ihrer Ziele hat neue Koalitionen erst möglich gemacht. Unterstützung für diesen Schritt kam von einer Vielzahl von Organisationen aus dem Baskenland und aus den Reihen internationaler Friedensvermittler. Der unbefristete Waffenstillstand, den ETA einhält und mehrfach bekräftigte, ist die Antwort von ETA auf die Forderungen dieser Unterstützer, ein gewaltfreies Szenario im Baskenland zu schaffen. Die Forderungen an die spanische Regierung, zu diesem gewaltfreien Szenario ebenfalls einen Beitrag zu leisten, sind bisher ungehört verhallt.
Umso zynischer ist deshalb der Versuch, den neuen politischen Dialog, der mit dem sich erfolgreich entwicklenden Friedensszenario im Baskenland einhergeht, als Verschwörung der ETA zu interpretieren, und zu unterdrücken. Die Ausgrenzung immer grösserer Teile der baskischen Bevölkerung aus den parlamentarischen Strukturen wirkt wie eine Panikreaktion, mit der die spanische Regierung auf die neuen Zeiten im Baskenland und auf die Forderungen der konservativen PP nach rigoroser Unterdrückung reagiert.
Das spiegelt sich im Verbotsantrags gegen die Teilnahme von Bildu an den kommenden Kommunalwahlen wieder. Die geheimen Polizeiberichte, die alleinige Grundlage dieses Antrags sind, geben eine polizeiliche Interpretation der baskischen Wirklichkeit, die mit dem Selbstverständnis der baskischen Gesellschaft nichts zu tun hat.
Beispiele dafür kann man in einzelnen Passagen des Verbotsantrag nachlesen: als Begründung dient z.B. die Mitgliedschaft einzelner Kandidaten von Bildu in einem baskischen Jugendverband. Die Polizei hätte dies nicht extra geheim ermitteln müssen. Die Jugendorgansiation von Eusko Alkartasuna (einer der beiden Parteien, die Bildu gegründet haben) ist offizielles Mitglied dieses Jugendverbands, der im Übrigen auch nicht verboten ist. Genausowenig wie Eusko Alkartasuna selbst.