Prozeß gegen baskische Linke in Madrid fortgesetzt. Tausende demonstrieren in Donostia (San Sebastián). Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel und weitere Persönlichkeiten aus verschiedensten Ländern fordern Freiheit für die Angeklagten und eine friedliche Lösung des baskischen Konflikts.
12.000 Menschen fordern am Wochenende im baskischen Donostia (San Sebastián) ein Ende der Sondergerichtsprozesse gegen politische Aktivsten der baskischen Linken. Insbesondere fordern sie die Einstellung des in der vergangenen Woche begonnenen Prozesses gegen den früheren Sprecher der verbotenen Partei Batasuna, Arnaldo Otegi, und sieben Mitangeklagte. An dem Demonstrationszug beteiligen sich praktisch alle Parteien, Gewerkschaften und sozialen Organisationen links von der konservativen Baskischen Nationalistischen Partei (PNV). Die Rednerin der Abschlusskundgebung würdigt den besonderen Beitrag der Angeklagten zur neuen Entwicklung im Baskenland. “Die ganze Welt weiß das. Es ist an der Zeit, dass dieses Wissen auch in den spanischen Gerichtssälen ankommt,“ erklärt sie unter großem Beifall.
Seit über einer Woche stehen die für ihr Engagement für eine friedliche Konfliktlösung bekannten politischen Aktivisten in Madrid vor Gericht. Sie sollen versucht haben, die Arbeit der illegalen Partei Batasuna fortzusetzen. Die dafür von der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagten vorgebrachten Beweise sind offensichtlich konstruiert, und selbst die der baskischen Unabhängigkeitsbewegung ablehnend gegenüberstehende Zeitung El País berichtete von »Lachsalven«, die die polizeiliche Interpretation eines überwachten Telefonats im Gerichtssaal ausgelöst habe. Aus einem Gespräch über das Weingut Lanciano und den bekannten baskischen Weißwein Txakolí konstruierten die Polizisten die Kampfnamen »El anciano« (Der Alte) und »Txakolí« und witterten geheime Informationen. Auf solche und ähnliche Weise begründet die Anklage ihre Forderung nach insgesamt 80 Jahren Haft, die immer noch wie ein Damoklesschwert über den Angeklagten hängt.
Internationale Unterstützung für die Angeklagten
Aus Katalonien schlossen sich mehr als 80 Persönlichkeiten aus Politik, Bildung, Sport und Kultur mit einer gemeinsamen Erklärung der Forderung nach einem Ende dieser Gerichtsverfahren, »die Barrieren gegen unsere Hoffnung errichten«, an. Nötig seien statt dessen Initiativen, die zur endgültigen Lösung des politischen Konflikts beitragen.
In einem offenen Brief an den spanischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero fordern 40 argentinische Abgeordnete und Personen des öffentlichen Lebens, die sofortige Freilassung Arnaldo Otegis. Für die friedliche Lösung des baskischen Konflikts sei dies ein wichtiger Schritt, schrieben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, an erster Stelle der Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel.
Auch Abgeordnete aus der Schweiz, aus Finnland, Schweden, Norwegen und anderen europäischen Ländern setzen sich für ein Ende des Gerichtsprozesses und eine friedliche Lösung des spanisch-baskischen Konflikts ein. Der ehemalige fränkische SPD-Gemeinderat Alfonso Cuesta, der die Verdienstmedallie der Bundesrepublik Deutschland trägt, nennt den Prozeß eine Farce und fordert den Freispruch für alle Angeklagten.
Regierungschef der CAV kündigt Vorschlag an
Dem Druck der baskischen Bevölkerung und der spürbaren internationalen Unterstützung für eine friedliche Lösung im Baskenland kann sich auch Patxi López so leicht nicht entziehen. Der Vorsitzende der baskischen Regionalgruppe der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) und derzeitige Regierungschef der Baskischen Autonomen Gemeinschaft (CAV) verkündete am vergangenen Freitag, er wolle im Herbst einen Vorschlag für eine »Politik der Befriedung und des Zusammenlebens« unterbreiten. Einer der acht vor dem Sondergericht in Madrid Angeklagten, Txelui Moreno, will López an seinen Taten messen. Ein erster Schritt für eine Lösung des Konflikts wäre »ein Ende der politisch motivierten Verfolgung der linken Unabhängigkeitsbewegung«, erklärte der Sprecher der baskischen Linken, bevor er sich wieder auf den Weg ins 450 km entfernte Madrid auf die Anklagebank machte.
Erstveröffentlichung (verkürzte Version): Junge Welt vom 5. Juli 2011