22.06.2010 | Von Ingo Niebel, Junge Welt vom 22. Juni 2010

Grundstein für »Pol der Souveränität« im Baskenland gelegt

Trotz ihres Verbotes zeigt die weitgehend illegalisierte linke Unabhängigkeitsbewegung des Baskenlandes um die verbotene Partei Batasuna (Einheit) erneut ihre Fähigkeit zur politischen Initiative. Am Sonntag legte sie gemeinsam mit der sozialdemokratisch geprägten Partei Eusko Alkartasuna (EA, Baskische Solidarität) die Basis für einen »Pol der Souveränität«. Das Fernziel ist die Bildung eines unabhängigen baskischen Staates. An der öffentlichen Veranstaltung in Bilbo (Bilbao) nahmen mehrere hundert Mitglieder beider Formationen und internationale Beobachter teil.

»Lortu arte – Bis wir es erreichen«

Die Veranstaltung fand im Bilboer Kongreßzentrum, dem Euskalduna-Palast, unter dem Motto »Lortu arte« (Bis wir es erreichen) statt. Im Mittelpunkt stand die Unterzeichnung des Abkommens, das die »Grundlagen für ein strategisches Abkommen zwischen politischen Kräften für die Unabhängigkeit« festlegt. Darin heißt es, man wolle zu diesem Zweck eine Strategie entwickeln, die auf der friedlichen, zivilen und demokratischen Auseinandersetzung basiert und die sich gegen die Zwänge seitens des spanischen und französischen Nationalismus richtet. Die Unterzeichner zeigen sich offen gegenüber weiteren Formationen, die diesem Bündnis beitreten wollen.

Die Allianz ist aus vielfacher Hinsicht als »historisch« zu bezeichnen. Hierzu reicht allein der Verweis auf den Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939), wo baskische Parteien damit scheiterten, eine »nationale Front« zu bilden. Des weiteren prägten eher Spaltungen denn Allianzen die Geschichte der baskischen Parteien. Das gilt in diesem Fall besonders für die EA, die sich in den 1980er Jahren wegen persönlicher Animositäten von der bürgerlichen Baskischen Nationalpartei (PNV) abspaltete. Letztere zählt nicht zu den potentiellen Beitrittskandidaten des neuen Lagers. Das hat die baskische Linke bereits 2007 nach dem gescheiterten Verhandlungsprozeß ausgeschlossen. Damals erwies sich die PNV bei den zwölf trilateralen Geheimgesprächen über eine friedliche Lösung des Konflikts mit der in Madrid regierenden Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) von Premier José Luis Rodríguez Zapatero als Hemmschuh. Sie verhinderte eine Konkretisierung des Prozesses aus parteipolitischem Kalkül und trug somit zu dessen Scheitern bei.

Seitdem versuchte die linke Unabhängigkeitsbewegung, das Projekt eines »Pols der Souveränität« ohne die stärkste Kraft des Baskenlandes umzusetzen. Die Allianz von Bilbo ist somit auch ein Erfolg ihres inhaftierten Sprechers Arnaldo Otegi.

In der spanischen Hauptstadt versuchte man, die neue Konstellation kleinzureden. »Nichts Neues«, heißt es unisono aus Regierungs- und Oppositionskreisen. Die PSOE und ihre Rivalin, die postfranquistische Volkspartei (PP), kritisieren, daß sich das Bündnis nicht explizit von der Untergrundbewegung Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) distanziert habe. Tatsächlich eröffnet das Abkommen von Bilbo der verbotenen Linken zwei Wege zurück zur Legalität: entweder als eigenständige Partei, die in den kommenden Wochen neugegründet werden müßte, oder als Zusammenschluß mit der EA. Da diese niemals im Verdacht stand, sie wäre ein politisches Instrument der ETA gewesen, gibt es kaum eine juristische Handhabe, sie zu verbieten.

Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 22. Juni 2010

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