28.04.2010 | Ingo Niebel, Junge Welt vom 27.4.2010

Unabhängigkeitsbewegung sieht in nordirischem Friedensprozeß Vorbild

Die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung hat die Untergrundorganisation ETA und die spanische Regierung aufgerufen, »konstruktive Beiträge« zu einer politischen Lösung des jahrzehntelangen Konflikts zu leisten. Am Samstag waren knapp 200 Vertreter dieser Bewegung in Iruñea (Pamplona) zusammengekommen, um ihre Forderung öffentlich kundzutun.

Mit diesem Schritt setzt die baskische Linke, deren Organisationen weitgehend verboten sind, ihre Strategie fort, neues Terrain für Verhandlungen und Dialog zu schaffen. Neu ist, daß sie sich hierbei gleichermaßen an die ETA wie an die spanische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) richtet und so als dritter, unabhängiger Akteur auftritt. Das ist umso bemerkenswerter, da ihr von Kritikern sonst vorgeworfen wird, sie laufe am Gängelband der ETA. Statt dessen kritisieren ihre Vertreter nun offen, daß Madrid nach dem gescheiterten Gesprächsprozeß 2006/2007 zur Repression zurückkehrte, während die ETA den bewaffneten Kampf wiederaufnahm. »Das hat zu nichts anderem geführt als zu einer noch größeren Blockade«, heißt es in der am Samstag verlesenen Erklärung. »Dieses Schema muß überwunden werden«, erklärten die Versammelten unter Verweis auf die friedliche Beilegung des Konfliktes in Nordirland. Dort galt für alle Konfliktparteien, daß sie nur noch politisch, ohne Gewaltanwendung und Einmischung von außen für ihre Ziele kämpften. Die baskische Unabhängigkeitsbewegung verweist deshalb auf die »Brüsseler Erklärung« von vier Friedensnobelpreisträgern aus Irland und Südafrika, die diesen Weg Ende März unterstützt haben.

Der »demokratische Prozeß«, der den Vertretern der Unabhängigkeitsbewegung vorschwebt, soll auf zwei Verhandlungsebenen stattfinden. Auf der einen treffen sich die ETA und die Madrider Regierung, um über militärische Fragen wie die Auflösung von Waffendepots, den Abzug der Repressionskräfte und die Frage der Gefangenen zu verhandeln. Auf der anderen Ebene kommen alle politischen Parteien des Baskenlandes zusammen, um die gemeinsame Zukunft zu besprechen.

Wider Erwarten reagierte die PSOE diesmal auf die Erklärung von Iruñea, nachdem sie Friedensinitiativen der Linken bisher totgeschwiegen hatte. Die Sprecherin der Autonomen Baskischen Regierung, Idoia Mendia (PSOE), bezeichnete das Dokument als unzureichend, weil die ETA nicht direkt aufgefordert worden sei, der Gewalt abzuschwören. Diesem Tenor stimmte auch die stärkste Kraft des Baskenlandes, die christdemokratische Baskische Nationalpartei (PNV) zu, die sich derzeit in Geheimverhandlungen mit der PSOE über eine zukünftige Zusammenarbeit befindet. Die postfranquistische Volkspartei (PP) warnt vor einem Manöver der ETA, so an den baskischen Kommunalwahlen 2011 teilnehmen zu können. Nur die sozialdemokratische Baskische Solidarität (EA) sieht sich in ihrer politischen Kooperation mit der verbotenen Linken bestätigt.

Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 27. April 2010


Informationen zur Konfliktlösungsinitiative der abertzalen Linken:

Siehe unsere Seite Konfliktlösung >>

Zentrales Dokument der Initiative der abertzalen Linken in deutscher Übersetzung: “Zutik Euskal Herria – Steh auf, Baskenland” >>

Brüsseler Erklärung >> zur Unterstützung der Initiative der abertzalen Linken. Vier Friedensnobelpreisträger gehören zu den Unterzeichnern

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