16.12.2009 | Erklärung der Egunkaria-Angeklagten

info-baskenland.de dokumentiert in deutscher Übersetzung die Presseerklärung, die Joan Mari Torrealdai – einer der fünf Angeklagten im Prozess gegen die 2003 geschlossene Tageszeitung Egunkaria – im Namen der Betroffenen am 14. Dezember 2009 kurz vor der Abfahrt nach Madrid verlesen hat. Joan Mari Torrealdai ist Sprachwissenschaftler und Mitglied der Akademie der Baskischen Sprache “Euskaltzaindia”.

“Vielen Dank, dass Sie erneut unserem Aufruf gefolgt sind. Kurz vor unserem Aufbruch in Richtung Madrid aus dem Grund, den Sie alle kennen, möchten wir Ihnen und Euch zwei grundsätzliche Dinge mitteilen.

Zum einen, dass das Ergebnis des Prozesses – der morgen beginnt und von dem wir nicht wissen, wann er enden wird – kein anderes sein kann als der Freispruch. Wir werden kein Urteil akzeptieren, das nicht den Freispruch für alle und jeden von uns darstellt, einen Freispruch für das, was das Projekt und die Realität von Egunkaria waren.

Zum anderen appellieren wir an die baskische Gesellschaft, damit sie an der Demonstration teilnimmt, die unter dem Slogan “Egunkaria libre!” am kommenden Samstag in Bilbo (Bilbao) stattfinden wird. Wir erinnern uns an die massive Veranstaltung, die vor fast sieben Jahren, am 22. Februar 2003 in Donostia (San Sebastián) stattfand, wenige Tage nach der Polizeioperation gegen Egunkaria. Unser Ziel ist es, an eben jene Erinnerung zu appellieren, um eine Demonstration von ähnlichem Ausmaß zu erreichen, diesmal in Bilbo: Weil die Operation von damals heute weitergeht; weil das Gerichtsverfahren, das morgen beginnt, die Fortsetzung all dessen ist.

Im Voraus möchten wir der baskischen Gesellschaft für ihre Hilfe danken – für die von gestern, für die von heute und für die von morgen. Ohne diese Unterstützung könnten weder wir noch unsere Familien nach Madrid fahren, wie wir es jetzt doch tun können, um erhobenen Hauptes denjenigen entgegenzutreten, die uns anklagen.

Wir fahren – tatsächlich – nach Madrid, aber nicht so, wie sie uns am 20. Februar 2003 dorthin brachten, jedoch sehr wohl wie damals unter Zwang, gegen unseren Willen, weil sie uns zwingen, in einem Verfahren zu erscheinen, das niemals existieren dürfte zu einem Fall, der niemals hätte geschehen dürfen und das nachdem sie uns bereits unter eine Strafe von sieben Jahren auf der Anklagebank gestellt, uns dem Schmerz und der fortwährenden Beleidigung ausgesetzt haben… Und es bleibt abzuwarten, was noch alles auf uns zukommen kann in einem Prozess, der bis zum heutigen Tag voller Hindernisse war.

In der langen Geschichte des Euskara [der baskischen Sprache, IN] und des gesellschaftlichen Einsatzes für unsere Sprache nimmt das Schwarzbuch einen besonderen Platz ein. Wir gehen zu einem Verfahren, das für immer in diesem Buch stehen wird. Diejenigen, die uns ins diese Lage gebracht haben, sind bereits Geschichte. Tatsächlich sind sie gerade dabei, die schwärzesten Seiten in diesem Band zu schreiben.

Und wenn wir gerade dabei sind, von der Geschichte zu sprechen, sprechen wir von der der Audiencia Nacional. In ihrem gesamten Bestehen – und das ist nicht kurz – hat noch niemals ein Staatsanwalt die Einstellung eines Verfahrens gefordert, das auf einer Anklage basierte wie das unsere. Er stand auf Seiten der Ermittlungen, aber sobald er das Ergebnis derselben kannte, forderte er zuerst die vorläufige Einstellung des Verfahrens und dann in der zweiten Instanz die vollständige Einstellung im Juli.

Kündigt uns dieser Hinweis vielleicht das glückliche Ende des Falls an? Oder prophezeit uns die Tatsache, dass die Richter trotz des Vorschlags des Staatsanwalts keinen Schritt zurückgenommen haben, den Ausgang des Prozesses? Das sind genau die Schlüsselpunkte unserer Unsicherheit.

Aber wir, unsere Familien und Freunde, fahren sehr erhobenen Hauptes. Wir fahren aufrecht wegen unserer Verpflichtung, die wir mit dem Euskara, dem Journalismus auf baskisch, mit unserer Kultur und unserem Land eingegangen sind, obwohl sie uns damals deswegen festnahmen und uns heute dafür richten wollen.

Wir fahren erhobenen Hauptes, weil wir auf die bedingungslose Unterstützung durch die baskische Gesellschaft zählen können, die in diesem Umfang für uns unbezahlbar ist.

Mit Blick auf das Verfahren, das morgen beginnen wird, wird in der Audiencia Nacional eine wichtige Gruppe aus Repräsentanten aus Gesellschaft, Kultur, Bildung, Politik und Gewerkschaften des Baskenlandes zusammentreffen. Viele weitere haben uns ihre Unterstützung mitgeteilt, da es ihnen nicht möglich ist zu kommen. (s. nachstehende Liste).

Unser Dank in unserem Namen und in dem unserer Familien sei vorausgeschickt. Das angesichts des morgen beginnenden Prozesses. Trotzdem sei der Termin am Samstag, den 19. Dezember, um 17 Uhr in Bilbo, am Platz Aita Donostia nicht vergessen.

“Egunkaria libre!” muss ein ähnlicher Ruf sein, wie der vom 22. Februar 2003 in Donostia.

Eskerrik asko – Vielen Dank

Andoain, 14. Dezember 2009

Liste der Unterstützer von Egunkaria, die am 15. Dezember 2009 nicht in Madrid sein können:

Iñaki Goirizelaia, Rektor der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Juan Ignacio Pérez, Ex-Rektor der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Goyo Monreal, Ex-Rektor der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

José María Muñoa, Vorsitzender der Gesellschaft für Baskische Studien “Eusko Ikaskuntza”

Juan Ramón Guevara, Ex-Vizepräsident der Baskischen Regierung

Daniel Innerarity, Professor der Philosophie an der Universität Saragossa

Josu Zabala, Rektor der Universität der MCC

José María Aizaga, Studienleiter der Universität der MCC

Xabier Retegi, Minister a.D. der Baskischen Regierung

Jose Manuel Castells, Professor der Jura-Fakultät der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Andrés Urrutia, Vorsitzender der Akademie der Baskischen Sprache “Euskaltzaindia”

Ramón Zallo, Professor an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Baleren Bakaikoa, Professor für Ökonomie an der Rechtsfakultät der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Pedro Mikel Etxenike, Professor für Physik an der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV) und Träger des spanischen “Príncipe de Asturias”- Preises

Ramón Labaien, Regierungssprecher a.D. der Baskischen Regierung und Ex-Oberbürgermeister von Donostia (San Sebastián)

Juan José Alvarez, Professor für Verfassungsrecht an der Universität des Baskenlandes (EHU/UPV)

Carlos Garaikoetxea, Ministerpräsident a.D. (Lehendakari) der Autonomen Baskischen Gemeinschaft und Ex-Vorsitzender der Partei Eusko Alkartasuna (EA, Bask. Solidarität)

Xabier Arzalluz, ehemaliger Vorsitzender der Baskischen Nationalpartei (Partido Nacionalista Vasco, PNV)

Rafa Díez, ehemaliger Generalsekretär der Gewerkschaft LAB

Jesús Uzkudun, Vorstandsmitglied der spanischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO)

Fermín Muguruza, Musiker

Laura Mintegi, Vorsitzendes des bask. PEN “EuskalPEN”

Bernardo Atxaga, international bekannter Schriftsteller

Baltasar Errazti, Ex-Vorsitzender des baskischen Unternehmerverbandes Confebask

Anjeles Iztueta, Ministerin a.D. für Bildung der Baskischen Regierung

Lontxo Oiartzabal, Ex-Vorsitzender des Schulrates des Baskenlandes (Euskadi)

Txaro Arteaga, Leiterin des Fraueninstituts “Emakumde”

Jesús Mari Zamora, Ex-Fussballer des Erstligisten Real Sociedad de San Sebastián und Spieler der spanischen Nationalmannschaft

[Übersetzung von Ingo Niebel. Im Zweifelsfall gilt der baskische bzw. spanische Originaltext.]

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