23.05.2009 | Ingo Niebel (Junge Welt vom 22.5.2009)

Der gestrige Donnerstag war kein Feiertag im Baskenland. Trotzdem standen viele R?der still: Sechs linksnationale Gewerkschaften hatten in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und in der Foralen Gemeinschaft Nafarroa (Navarra) zum Generalstreik aufgerufen ? ein Ereignis, das es seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 nicht mehr gegeben hatte. Die in den linksbaskischen Gewerkschaften organisierten Arbeiter gingen auf die Stra?e, um gegen die Madrider Wirtschaftspolitik sowie f?r einen sozialen und politischen Wandel zu demonstrieren. Fotos vom Streik

Das hochindustrialisierte Baskenland bekommt die Folgen der Wirtschaftskrise besonders hart zu sp?ren. Im Februar lag die Arbeitslosenquote bei elf Prozent, die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen wird laut Prognosen in der CAV bis 2010 um 33000 Betroffene ansteigen. Noch katastrophaler k?nnte die Situation in Nafarroa werden, dessen industrielle Struktur stark von der Autoproduktion bei VW in Irunea (Pamplona) abh?ngt. Neben den wachsenden sozialen Problemen stellt sich im Baskenland scharf wie nirgendwo im spanischen Staat die Demokratiefrage: Alle politischen Parteien, die f?r Sozialismus und Unabh?ngigkeit eintraten, sind verboten.

Angesichts dieses doppelten Konfliktpotentials versuchte der sozialdemokratische CAV-Ministerpr?sident Patxi L?pez (PSOE), den Ausstand kleinzureden und zu diskreditieren. Die Regierung hatte sich zu Wochenbeginn mit Vertretern der Unternehmerverb?nde getroffen, um die ?Sozialpakte? der 1980er Jahre, die seinerzeit unter Felipe Gonz?lez (PSOE) entstanden, in neuem Gewand wiederzubeleben, um den ?sozialen Frieden? in der Krise zu sichern.

L?pez? Sozialpartnerschaftspl?ne seien ?inhaltslos und inkompatibel mit den gewerkschaftlichen Vorstellungen?, sagte Adolfo M??oz, der Generalsekret?r der Baskischen Arbeitersolidarit?t (ELA), die der christdemokratischen Baskischen Nationalpartei (PNV) nahesteht. Der ELA-Chef und seine Kollegin Ainhoa Etxaide von den linksnationalen Arbeiterversammlungen (LAB) werteten den Generalstreik als einen ?Erfolg?. Vor allem in den l?ndlichen Regionen der Provinzen Bizkaia und Gipuzkoa wurde er weitgehend befolgt. Sogar der ?ffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender der Autonomen Gemeinschaft, EiTB, beteiligte sich, indem er lediglich sein Nachrichtenprogramm aufrechterhielt und sonst nur ?ltere TV-Dokumentationen sowie Musik sendete.

Allerdings hatten die Regionalregierungen der CAV und Nafarroas vor Gericht durchgesetzt, da? in Hospit?lern und im ?ffentlichen Nahverkehr mindestens 30 Prozent der ?normalen Arbeit gew?hrleistet? sein m??ten. An den Schulen und Bildungseinrichtungen durfte ?berhaupt nicht gestreikt werden. Dort, wo Arbeiter versuchten, Busdepots zu blockieren, griffen Pr?gelbrigaden der Polizei ein. Es kam zu Verhaftungen wegen ?Widerstands gegen die Staatsgewalt?.

Den H?hepunkt des Generalstreiks bildeten Demonstrationen in der Hafenmetropole Bilbo (Bilbao) und in Donostia (San Sebastian) mit jeweils Tausenden Teilnehmern. Unter den Demonstranten befanden sich auch die Politiker der verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna (Einheit) Arnaldo Otegi und Jone Goirizelaia. Sichtbar wurde bei den Aktionen aber auch die tiefe Spaltung der Arbeiterklasse des Baskenlandes: Die sozialdemokratische Allgemeine Arbeitervereinigung (UGT) und die der Vereinigten Linken (IU) nahestehenden Arbeiterkommissionen (CCOO) trugen den Ausstand nicht mit.

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