15.05.2009 | Ingo Niebel (Junge Welt vom 15.5.2009)

EU-Wahl in Spanien: Madrider Regierung beantragt erstmals das Verbot eines gesamtspanischen Buendnisses.

Wird ?Internationalistische Initiative? illegalisiert?

Knapp vier Wochen vor der EU-Wahl soll der Bannstrahl des spanischen Parteiengesetzes die ?Internationalistische Initiative ? Solidarit?t der V?lker? (II) treffen. Damit w?re erstmals nach der Franco-Diktatur eine spanienweit agierende linke Gruppierung von einem Urnengang ausgeschlossen. Am Mittwoch gaben die Regierung des sozialdemokratischen Premiers Jos? Luis Rodr?guez Zapatero (PSOE) und die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, da? sie ihren Verbotsantrag vor dem Obersten Gericht stellen werden. Damit wurde am gestrigen Donnerstag (nach jW-Redaktionsschlu?) oder Freitag gerechnet.

Als Begr?ndung f?r die erste Illegalisierung einer nichtbaskischen Linkskraft geben Justizministerium und Staatsanwaltschaft an, es l?gen ?ausreichend Beweise vor, die belegen, da? diese Kandidatur eine Fortf?hrung des Umfelds von ETA-Batasuna ist?, also der baskischen Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) und der seit 2003 verbotenen Linkspartei Batasuna (Einheit). Hinter der II, so der generalstaatsanwaltschaftliche ?Verdacht?, k?nnte die verbotene baskische Unabh?ngigkeitsbewegung stecken. Ob die obersten Richter Spaniens dieser Argumentation folgen werden, ist diesmal fraglich. Schlie?lich ist die II keine rein baskische Gruppierung; sie vereinigt linke Gruppen aus allen Teilen des spanischen Staates und verf?gt ?ber eine breite internationale Anbindung, wie ein Blick auf die Kandidatenliste zeigt.

Als Spitzenkandidat fungiert der international bekannte Dramaturg Alfonso Sastre. Der Autor zahlreicher Theaterst?cke ist geb?rtiger Madrider, bekennender Linker, Republikaner und Internationalist. W?hrend der Franco-Diktatur (1939?1975) geh?rte er der verbotenen Kommunistischen Partei (PCE) an; das Theater sah er als eine M?glichkeit zum antifaschistischen Widerstand. Im Laufe seiner 82 Lebensjahre erhielt er zahlreiche Ehrungen, unter anderem den Premio Nacional de Teatro des spanischen Kultusministeriums (1986). Verheiratet war er mit der 2007 verstorbenen spanischen ?rztin, Schriftstellerin und Verlegerin Eva Forest. Sie k?mpfte wie ihr Mann f?r die Ideale einer besseren Welt.

Besonders linke Basken ehrten das Ehepaar Sastre-Forest, weil es uneingeschr?nkt f?r die Forderungen nach Selbstbestimmung, Anerkennung der nationalen Identit?t und einer Verhandlungsl?sung f?r den spanisch-baskischen Konflikt eintrat. So erkl?rt sich, warum Sastre mit seinem Prestige f?r einst legale Parteien wie Batasuna oder die antifaschistische Baskenpartei EAE-ANV kandidierte. International geh?rt Sastre zu den Unterst?tzern der Bolivarischen Revolution in Venzuela, wo er vor einigen Jahren ausgezeichnet wurde, und des sozialistischen Kuba.

Sein politisches Engagement im Baskenland wird Sastre jetzt zum Vorwurf gemacht. Laut dem Madrider Parteiengesetz ?kontaminiert? er mit seiner Kandidatur die II, weil diese ebenfalls verboten werden kann, wenn sie Kandidaten illegalisierter Parteien aufstellt.

Der Nummer zwei auf der II-Liste, Doris Benegas, wirft die Staatsanwaltschaft vor, sie pflege ?seit 20 Jahren Kontakte zur baskischen Linken?. Die Aktivistin der ?Izquierda Castellana? (Kastilische Linke) ist im Baskenland nicht politisch t?tig. Die Nummer f?nf der Kandidaten, Angeles Maestro, z?hlt zur ?Corriente Roja? (Rote Str?mung), die nicht der Vereinigten Linken (IU) angeh?rt. Auf den anderen Pl?tzen befinden sich Vertreter von linken Unabh?ngigkeitsbewegungen aus Katalonien und Galicien. Der baskischen Tageszeitung Gara sagte Maestro ?ber die Zusammensetzung von II: ?Sie beinhaltet keine einzige Person, die den bewaffneten Kampf (der ETA, I.N.) unterst?tzt. Es gibt ja noch nicht einmal einen Basken.? Die Staatsanwaltschaft will aber 23 Personen ausgemacht haben, die ?Beziehungen? zur verbotenen baskischen Linken gehabt haben sollen.

Auch die Kommunistische Partei der V?lker Spaniens (PCPE), die zusammen mit anderen europ?ischen EU-Gegnern am Montag in Athen einen Wahlaufruf f?r das erste Juni-Wochenende vorstellte (siehe jW vom 12.Mai), beteiligt sich an der II. Weitere Kandidaten kommen aus der andalusischen Linken um Juan Manuel S?nchez Gordillo. Da er und seine Genossen der Vereinigten Linken angeh?ren, die mit einem eigenen Kandidaten an der EU-Wahl teilnimmt, droht ihnen jetzt der Parteiausschlu?.

Mit dem Verbot ?spanisiert? Zapatero sein Problem mit dem Baskenland, das er eigentlich glaubte, mit der Regierungs?bernahme durch seine Partei nach den Regionalwahlen in den Griff bekommen zu haben.


Erstver?ffentlichung: Ingo Niebel in Junge Welt vom 15.5.2009

Zu den Verboten der baskischen Parteien EAE-ANV und EHAK im Herbst 2008 s. auch:


“Eine Schande f?r Europa”

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