Die Verhaftungen von zwei ETA-Führungsmitgliedern ist für internationale Vermittler ein “Hindernis” für den Friedensprozess und “kontraproduktiv”
“Ich wage zu behaupten, dass dies praktisch die Sterbeurkunde der ETA ist”, erklärte der spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz gestern nach den Verhaftungen im französischen Baskenland.
Zwei Führungsmitglieder der baskischen Untergrundorganisation, die schon vor vier Jahren den Kampf ohne Vorbedingungen definitiv eingestellt hat, waren im französisch-baskischen Baigorri verhaftet worden. Die Baskin Iratxe Sorzabal und David Pla, die gemeinsam mit Pantxo Flores und Ramon Sagarzazu verhaftet wurden, gehörten zur ETA-Führung, davon geht auch die gut informierte linksnationalistische baskische Tageszeitung “Gara“ aus, die von “Verantwortlichen” für das Ende des bewaffneten Kampfs spricht.
Obwohl die spanischen Sicherheitskräfte praktisch immer von Führungsmitgliedern der ETA sprechen, wie auch bei dem Universitätsmitarbeiter Tomas Elgorriaga, der vor einem Jahr in Freiburg verhaftet wurde, dürfte das diesmal stimmen. Bei Tomas Elgorriaga gehen dagegen inzwischen fast alle davon aus, dass er wohl nichts mit der ETA zu tun hatte. Trotz allem sitzt er noch in Untersuchungshaft und im droht die Auslieferung.
Doch erneut übertreibt der Innenminister. In den mehr als 50 Jahren der ETA-Geschichte wurde immer wieder die Zerschlagung verkündet. Seit Jahren wird Josu Urrutikoetxea als ETA-Chef gehandelt, der schon vor 13 Jahren geflohen ist und auch an den letzten Friedensverhandlungen 2006 und 2007 mit Pla und Sorzabal teilgenommen hatte. Im Siegestaumel hatte der Innenminister gestern zwischenzeitlich auch dessen Verhaftung verkündet.
Dass gerade gestern zugeschlagen wurde, dürfte kein Zufall bei der regierenden Volkspartei (PP) sein, die dringend positive Meldungen angesichts der letzten Wahlergebnisse braucht, in der sie fast alle Regionen – Bundesländern vergleichbar – und sogar die Hauptstadt Madrid verloren hat. Und angesichts der Tatsache, dass am Sonntag Katalonien nach den plebiszitären Neuwahlen, bei der über die Unabhängigkeit entschieden wird, das Königreich von Diktator-Francos Gnaden verlassen könnte, wird wieder einmal der Terrorismus bemüht.
Dazu kommt, dass sich erneut die Vermittler der Internationalen Kontaktgruppe (GIC) im Baskenland befinden, die seit Jahren versuchen, in einen Dialog mit der Regierung zu kommen. Doch das wurde von Spanien bisher nicht nur boykottiert und hintertrieben, man versuchte sogar die international anerkannten Persönlichkeiten zu kriminalisieren, weil sie an der Entwaffnung der ETA beteiligt sind. So etwas hatten der Südafrikaner und Vertraute von Nelson Mandela Ronnie Kasrils, der Ire Chris Macabbe und Ram Manikkalingam aus Sri Lanka, der die Kommission leitet, in bisherigen Friedens- und Überwachungsprozessen weltweit noch nie erlebt.
Die GIC gibt die Möglichkeiten, mit der rechtskonservativen spanischen Regierung zu einem Dialog oder zu Verhandlungen zu kommen, um über die Waffenübergabe zu sprechen, für verloren. Sie reiht sich in die lange Liste derer ein, die darauf hoffen, dass die Ultras der Volkspartei (PP) im Herbst endlich abgewählt werden. Der GIC-Sprecher Alberto Spektorowski verurteilte die neuen Verhaftungen als “Behinderung” im Friedensprozess. Der Israeli meinte auch, dass der Vorgang “kontraproduktiv” sei. Er geht aber davon aus, dass der “Prozess für den Frieden definiert” sei und es keinen “Rückweg zur Gewalt” geben werde.
Anderen Medien gegenüber erklärten Mitglieder der Vermittlungsgruppe allerdings ihre Besorgnis: “Wir glauben, dass die Polizeioperation den Friedensprozess negativ beeinflussen kann”, zitierte die Zeitung Público ein GIC-Mitglied, das sie namentlich nicht benennt. “Es ist extrem schwierig einen Entwaffnungsprozess durchzuführen, bei dem permanent das Risiko der Verhaftung derer besteht, die daran teilnehmen”, zitiert die Zeitung den GIC-Sprecher weiter. Sie verweist auf weitere Verhaftungen von mutmaßlichen ETA-Mitgliedern im Juli, die an einer Inventur und Versiegelung von Waffenlagern teilgenommen haben sollen. Der Chef der Vermittlergruppe, der südafrikanische Anwalt Brian Currin, geht seit langem davon aus, dass es vor den spanischen Parlamentswahlen keine Schritte mehr geben wird. Erst danach werde es unter einer vermutlich neuen Regierung Bewegung in dem Prozess geben.