13.04.2015 | Uschi Grandel (junge Welt vom 10.4.2015, Schwerpunktseite)
Internationale Kampagne Free Otegi - free them all

Internationale Kampagne “Freiheit für Otegi – Freiheit für alle” will baskische Gefangene nach Hause bringen

Persönlichkeiten aus 17 Ländern sind Erstunterzeichner eines internationalen Aufrufs, der »die unverzügliche Freilassung von Arnaldo Otegi« und die Heimkehr der fast fünfhundert baskischen politischen Gefangenen fordert. »Diese Inhaftierung in vielen unterschiedlichen, weit vom Baskenland entfernten Gefängnissen, oft in Isolation, ist bewusste Politik. Eine Realität, die die Familien bestraft, die gezwungen sind, lange Wege zum Besuch ihrer Lieben in Kauf zu nehmen«, heißt es in der Erklärung, die die Kampagne »Free Otegi, free them all« am 24. März 2015 im Europaparlament in Brüssel der Öffentlichkeit präsentierte.

Der Friedens- und Konfliktlösungsprozess hat die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der baskischen Bevölkerung. Ein Kreis um den langjährigen und charismatischen Sprecher der linken Unabhängigkeitsbewegung Arnaldo Otegi hatte ihn durch seinen Einsatz für eine Strategieänderung der baskischen Linken angestoßen. Seitdem sah das Baskenland Massendemonstrationen für die friedliche Lösung des Konflikts und für die Rückkehr der Gefangenen, eine internationale Friedenskonferenz, darauf folgend das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA und erste Versöhnungsinitiativen. Die jahrelange Politik des spanischen Staates, die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung und ihr Umfeld in die Illegalität zu drängen, scheiterte an der neuen Realität. Die neue Linkspartei »Sortu« (Aufbauen) musste zwar ihre Zulassung vor dem Verfassungsgericht erkämpfen, ist inzwischen jedoch Teil eines Linksbündnisses mit spektakulären Wahlerfolgen. Zur Zeit wird im Bündnis die Öffnung für Einzelpersonen und damit die Entwicklung in Richtung einer Volksbewegung diskutiert.

Die in Spanien mit absoluter Mehrheit regierende rechte Partei Partido Popular (PP, Volkspartei) bekämpft die Aufbruchsstimmung im Baskenland mit den alten Rezepten der Repression und verweigert sich jedem Dialog. Spanien hält die Sondergesetze gegen baskische politische Gefangene aufrecht und verfolgt politische Aktivitäten der baskischen Linken als von ETA gesteuerten Terrorismus. Aus Sicht des ehemaligen südafrikanischen Erzbischofs und Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu ist Arnaldo Otegi der »Initiator des Friedensprozesses«. In Spanien wird er eben dafür verurteilt und ist seit Oktober 2009 im Gefängnis von Logroño inhaftiert.

Viele der Unterzeichner kennen Kriminalisierung und Inhaftierung aus eigener Erfahrung. Die schwarze Bürgerrechtlerin und Kommunistin Angela Davis war in den siebziger Jahren in den USA auf internationale Solidarität angewiesen. Musiker der Rolling Stones, John Lennon und Yoko Ono hatten damals für die Kampagne »Free Angela und alle politischen Gefangenen« gesungen. Heute ist Angela Davis eine Erstunterzeichnerin des Aufrufs »Free Arnaldo Otegi – free them all«, neben der Kurdin Leyla Zana, die ein Jahrzehnt in türkischen Gefängnissen verbrachte, bevor sie als erste kurdische Abgeordnete in ein türkisches Parlament einzog, dem Südafrikaner Ahmed Kathrada, der mit Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und 26 Jahre hinter Gittern verbrachte, neben José »Pepe« Mujica, dem Expräsidenten Uruguays und ehemaligen Führer der Tupamaros oder der Argentinierin Nora Morales de Cortiñas, einer der »Mütter der Plaza de Mayo«, die seit dreißig Jahren in Buenos Aires Aufklärung über die Verbrechen der Videla-Diktatur und das Schicksal ihrer verschwundenen Söhne und Töchter fordern.

Als Antwort auf die Kampagne und auf die hochkarätige internationale Unterstützung erklärten drei Europaabgeordnete der spanischen Rechten noch am selben Abend, es gebe gar keinen Konflikt, und es komme doch wohl auch »niemandem in den Sinn, eine solche Veranstaltung für einen dschihadistischen Terroristen durchzuführen«. Am nächsten Tag verhaftete die spanische paramilitärische Guardia Civil im Baskenland Nagore López de Luzuriaga, Izaskun Abaigar, Fernando Arburua und Oihana Barrios. López de Luzuriaga ist Sprecherin von »Etxerat« (Nach Hause), der Organisation der Angehörigen der Gefangenen. Sie wurde erst kürzlich vom Ministerpräsidenten der Baskischen Autonomen Gemeinschaft empfangen. Izaskun Abaigar warb als Mitglied von »Etxerat« in Brüssel für ein Ende der Sondergesetze gegen die baskischen Gefangenen. Fernando Arburua und Oihana Barrios betreuen Gefangene als Psychologen der medizinischen Hilfsorganisation »Jaiki Hadi« (Aufstehen). Insgesamt wurden in den letzten beiden Jahren sechsundvierzig Personen inhaftiert, die als Verteidiger von Gefangenen oder in entsprechenden Hilfsorganisationen tätig sind. Rechnet man laufende und angekündigte Verfahren gegen politische Aktivisten der Jugendbewegung und anderer Organisationen im Umfeld der baskischen Linken hinzu, so bedroht das spanische Sondergericht Audiencia Nacional aktuell etwa 200 Baskinnen und Basken für ihre offenen, demokratischen und friedlichen Aktivitäten als von ETA gelenkt mit jahrelangen Gefängnisstrafen.

»Verstörend und beunruhigend« nennt der südafrikanische Anwalt Brian Currin die Weigerung der spanischen Regierung, diese Menschenrechtsverstöße zu beenden. Der erfahrene Konfliktmoderator hofft auf ein Ende der absoluten Mehrheit der PP bei den spanischen Parlamentswahlen im Herbst dieses Jahres und auf »Raum (…) für neue politische Abkommen«.


Internationale Erklärung vom 24.3.2015 mit UnterstützerInnen in deutscher Übersetzung: weiterlesen >>

Baskenland: Linke im Aufbruch: weiterlesen >>

Siehe auch: “Lichtblicke im Baskenland – Interview mit Arnaldo Otegi” (PapyRossa 2014), Buchbesprechung: weiterlesen >>

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