Baskische Hilfsorganisation startet Kampagne gegen Willkür der Madrider Zentralregierung
Zum Wochenbeginn startete die baskische Gefangenenhilfsorganisation Etxerat (bask.: nach Hause) eine Aktion zugunsten der 750 politischen Häftlinge. Als Anlaß dient, daß die sozialdemokratische Regierung von Felipe Gonzalez vor zwanzig Jahren beschloß, die baskischen Gefangenen landesweit auf alle spanischen Haftanstalten zu verteilen. Die Maßnahme war damals schon illegal, da laut Gesetz jeder Häftling in einem Umkreis von 100 Kilometern um seinen Heimatort inhaftiert werden muß. Diesen Gesetzesbruch nahm Gonzalez hin, weil er so das Gefangenenkollektiv zerschlagen wollte. Für viele Angehörige bedeutet diese “Dispersionspolitik”, daß sie mehrere tausend Kilometer zurücklegen müssen, wenn sie einen Angehörigen für maximal 40 Minuten sehen wollen. Das Madrider Kalkül sah vor, so einen weiteren Keil zwischen die baskische Gesellschaft und die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) zu treiben. Die Rechnung ging nicht auf. Bei einer Großdemonstration für die Rechte der politischen Gefangenen gingen im Januar 37000 Menschen auf die Straße.
Das tragende Element der jüngsten Kampagne ist ein Videoclip, in dem die im Baskenland bekannten Clowns Pirritx und Porrotx die Situation der Betroffenen beschreiben. Das hat gewirkt: die rechte Tageszeitung ABC reagierte mit einer Artikelserie über das Clown-Duo. Das Blatt hob hervor, daß sich hinter den Künstlernamen die ehemaligen linken Stadträte von Lasarte, Aiora Zulaika und Jose Maria Agirretxe verbergen. Die beiden Politiker gehörten der Vereinigung Euskal Herritarrok (EH; Wir, die baskischen Bürger) an, die von Madrid 2003 – entgegen bürgerlicher Rechtsgepflogenheiten rückwirkend – verboten wurde. Die ABC-Berichte veranlaßten die Parlamentarierin der postfranquistischen Volkspartei (PP), Mari Mar Blanco, einen sofortigen Veranstaltungsboykott gegen Pirritx und Porrotx zu fordern.
Die ETA hatte am Karfreitag erklärt, daß sie die Regierung des zukünftigen baskischen Ministerpräsidenten Patxi Lopez (PSOE) als ihr “Hauptziel” betrachtet. Der Politiker kommt in dieses Amt nur, weil die baskische Linke nicht an den Regionalwahlen teilnehmen durfte. Andererseits bekräftigte die ETA ihre Bereitschaft, den politischen Konflikt mit Madrid über Verhandlungen zu lösen. Gleichzeitig ruft der Sprecher der verbotenen Linken, Arnaldo Otegi, zur Bildung eines breiten baskischen Bündnisses gegen die Madrider Politik auf. Als ersten Schritt schl?gt er “diskrete Kontakte” mit verschiedenen Akteuren vor, um die aktuelle Lage zu analysieren.
Erstveröffentlichung: Ingo Niebel in Junge Welt vom 16.4.2009
Anfang des Jahres hatte Etxerat zu einer Demonstration der Solidarit?t mit den ?ber 750 baskischen politischen Gefangenen aufgerufen:
Januar 2009: Mehr als 37.000 Menschen gehen f?r die Rechte
der 764 baskischen, politischen Gefangenen
auf die Strasse – Bericht und Hintergr?nde