130.000 gehen im Baskenland für eine neue Zeit auf die Straße. „Zorionak, Euskal Herria – Glückwunsch, Baskenland“ titelt Sortu (Aufbauen), die Partei der linken Unabhängigkeitsbewegung (siehe Foto).
Es war die wohl größte Demonstration in der Geschichte des Baskenlands. Etwa 130000 Menschen füllten am Samstag die Straßen Bilbos (spanisch: Bilbao). Doch historisch war nicht nur die überwältigende Zahl. »Eine demokratische baskische Front gegen die andauernde Erniedrigung, gegen die Verletzung elementarer Rechte, eine Einheitsfront für unsere Rechte und für die Freiheit«, sah die baskische Tageszeitung Gara.
Seit Monaten hatte die Initiative Tantaz Tanta (Tropfen um Tropfen) in den Dörfern und Städten des Baskenlands für eine Demonstration am letzten Samstag mobilisiert. Unter der Losung „Tropfen um Tropfen sind wir ein Meer. Menschenrechte, Lösung, Frieden. Baskische Gefangene ins Baskenland“ riefen sie dazu auf, für die Menschenrechte der baskischen politischen Gefangenen und für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen dem Baskenland, Spanien und Frankreich auf die Straße zu gehen. Besonderes Augenmerk lag auf der Inhaftierung baskischer Gefangener in Haftanstalten fernab ihrer Heimat. Schon im Vorfeld wurde klar, dass diese Manifestation in Bilbao gewaltig werden würde. Daran konnte auch ein Verbot durch das spanische Sondergericht Audiencia Nacional am Freitag nichts ändern.
Bereits wenige Stunden nach dem Verbot durch den Ermittlungsrichter Velasco rief ein breites Bündnis baskischer Parteien und Gewerkschaften zu einer Protestdemonstration für Samstag auf. Teil dieser Allianz waren auch die beiden größten politischen Parteien des Baskenlandes, die konservative PNV (Baskische Nationalistische Partei) und Sortu. Die Anmeldung dieser Demonstration übernahm der ehemalige Justizminister der Baskischen Autonomen Gemeinschaft, Joseba Azkarraga, dessen sozialdemokratische Partei Eusko Alkartasuna (EA, Baskische Solidarität) im Bündnis mit Sortu zu den Unterstützern der urspünglich geplanten Demonstration gehörte.
Die Reaktion der spanischen Regierung auf die Entwicklung des Friedensprozesses im Baskenland, auf das Ende der bewaffneten Aktivitäten von ETA vor mehr als zwei Jahren und auf aktuelle Beiträge des Kollektivs der baskischen Gefangenen zur Lösung der Gefangenenfrage bestand bisher ausschliesslich in dem Versuch, die Entwicklung zu blockieren. Das Demonstrationsverbot brachte für viele im Baskenland das Fass zum Überlaufen. Der Druck der Bevölkerung auf die baskischen Parteien wächst, gemeinsam „mit der Faust auf den Tisch zu hauen“, schreibt GARA, damit „Propagandaverhaftungen“ und Verbote endlich der Vergangenheit angehören. Auch die PNV sah sich deshalb genötigt, sich an der Protestdemonstration zu beteiligen.
Bei der spanischen sozialdemokratischen Tageszeitung El País läuten angesichts des großen Bündnisses die Alarmglocken. Die sture Politik der regierenden PP, der „spanischen Tea Party“ des Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, habe zu einem Bündnis im Baskenland geführt, das die baskische Linke schon lange anstrebe, klagt El País am Sonntag. Neben Katalonien eröffne sich gerade „eine zweite Front“ gegen die Einheit Spaniens. Zwar habe die PNV erklärt, das Bündnis mit Sortu sei ausschliesslich der gravierenden Ausnahmesituation geschuldet, aber wenn Rajoy „das nicht versteht“, könne eine solche Ausnahmesituation dauerhaft bestehen bleiben und zu schweren Konflikten der „Baskischen Autonomen Gemeinschaft mit Madrid führen“.
Die Organisatoren der verbotenen Demonstration Tantaz Tanta sagten am Freitag ihre ursprünglich geplante Demonstration ab und erklärten, eine Demonstration sei kein Selbstzweck. Sie wollten erreichen, dass mehr und mehr Menschen sich einbringen und verstehen, dass „ein Ende der Zerstreuung von uns allen abhängt und dass wir dies gemeinsam auch erreichen.“ Die Antwort darauf kam am Samstag aus Bilbo 130.000-fach.
Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 13.1.2014 weiterlesen >>
Siehe auch:
Aufruf der Initiative Tantaz Tanta in deutscher Übersetzung: “Tropfen um Tropfen sind wir ein Meer. Menschenrechte. Lösung. Frieden. Baskische Gefangene ins Baskenland” weiterlesen >>
Erklärung des Kollektivs der baskischen politischen Gefangenen (EPPK) vom 28.12.2013 in deutscher Übersetzung: weiterlesen >>