05.04.2009 | Ingo Niebel (Junge Welt vom 4.4.2009)

Ein Richter sucht nach den M?rdern eines ETA-F?hrers und st??t auf T?ter, die er nicht finden wollte

Eine Reise des spanischen Richters Fernando Andr?u nach Rom und das Verh?r von zwei italienischen Faschisten entwickelt sich zur B?chse der Pandora f?r Madrid. Eigentlich wollte der Jurist vom Sondergericht f?r Terror- und Drogendelikte, der Audiencia Nacional, nur einer These nachgehen, wonach italienische Faschisten f?r das Verschwinden des ETA-Anf?hrers Eduardo Moreno Bergaretxe, ?Pertur?, 1976 verantwortlich seien. Bis dato hat die spanische Presse das immer ausgeschlossen und als eine Schutzbehauptung bekannter K?pfe der Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) dargestellt. Sie beruft sich dabei auf ?u?erungen der Familie, die schon unmittelbar nach dem Verschwinden von Pertur einen rivalisierenden ETA-Fl?gel f?r die Tat verantwortlich gemacht hat. Dem widerspricht, da? die faschistische Todesschwadron Triple A sich zum Verschwinden von Pertur bekannte. 2008 nahm die Audiencia Nacional die Ermittlungen auf Betreiben der Familie wieder auf. Man darf vermuten, da? das menschlich nachvollziehbare Ansinnen der Angeh?rigen auf Zustimmung in Madrid traf, weil es erm?glicht, ehemalige ETA-F?hrer wie Eugenio Etxebeste, ?Antxon?, wieder ins Gef?ngnis zu werfen.

Pertur geh?rte Mitte der 1970er Jahre zum F?hrungszirkel jenes ETA-Fl?gels, der sich mit der Bezeichnung ?pol?tico-militar? (ETA-pm) von der ETA-militar (ETA-m) unterschied. 1976 herrschten erhebliche Spannungen innerhalb der ETA-pm. Wie ihr Name sagt, war sie bis dato gleicherma?en politisch wie milit?risch t?tig. Nach dem Tod des faschistischen Diktators Francisco Franco im November 1975 stellte sich die Frage, inwieweit die Organisation ihre Handlungsweise der neuen Situation im spanischen Staat anpassen sollte oder eben nicht. Pertur geh?rte zu jenen, die dem Politischen den Vorrang vor dem Milit?rischen gaben. Deshalb setzte er auf die Gr?ndung einer politischen Partei und auch auf Verhandlungen mit dem Gegner. Am 23. Juli 1976 lie? er sich nach geplatzen Treffen mit einer bisher unbekannten Person im franz?sischen Baskenland von drei ETA-Leuten, die dem gegnerischen Fl?gel angeh?rten, zur spanischen Grenze fahren. Seitdem fehlt jede Spur von ihm.

Seit einigen Tagen wei? aber Richter Andr?u, wo er den Vermi?ten suchen mu?: Der italienische Neofaschist Angelo Izzo berichtete ihm von einem Folterzentrum namens ?La Factor?a?, das er und seine Spie?gesellen unter F?hrung des Franzosen Jean-Pierre Cherid bei Barcelona unterhielten. Das Haus sei mit Fotos von ETA-Leuten gespickt gewesen, sagte Izzo. Dorthin habe man auch einen Basken gebracht, erg?nzte der Faschist Pierluigi Concutelli. Aber beide konnten Pertur auf Fotos nicht identifizieren. Seine Leiche k?nnte in einem nahegelegenen Wald verscharrt sein. Laut Presseberichten hat die spanische Polizei die Faschisten aus Ita?lien, Frankreich und Portugal gesch?tzt und sie mit der notwendigen Logistik und mit Waffen versorgt. Mit einer spanischen Maschinenpistole ermordeten sie einen italienischen Richter. Die Verbrechen dieser staatlichen Mordkommandos sind in Spanien bis heute unges?hnt.


Erstver?ffentlichung: Ingo Niebel in Junge Welt vom 4.4.2009

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