Im Falle eines erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendums will Madrid EU-Beitritt verhindern. Mit Blick auf Basken und Katalanen im eigenen Land droht die spanische Regierung mit einem Veto gegen einen möglichen Beitritt Schottlands zur Europäischen Union.
»Stimmen Sie zu, dass Schottland ein unabhängiges Land sein sollte?« Das ist die Frage, auf die fünf Millionen Schotten per Referendum im Herbst 2014 antworten sollen. Und über diese »kurze, geradlinige und klare Frage«, wie Regierungschef Alex Salmond sagte, sind die Konservativen in Spanien entsetzt. Die britische Zeitung »The Independent« berichtete, dass die Madrider Regierung unter Mariano Rajoy gedroht habe, »ein Veto gegen die Mitgliedschaft Schottlands in der EU« einzulegen. Das Blatt bezog sich auf Londoner Regierungsquellen.
Spanien hat Angst, dass es zu einem Präzedenzfall kommt, auf den sich die immer deutlicher nach Unabhängigkeit strebenden Basken und Katalanen berufen könnten. Deshalb hatte schon die sozialistische Vorgängerregierung das unabhängige Kosovo nicht anerkannt, obwohl der Internationale Gerichtshof (IGH) im Juli 2010 entschied, dass durch die Unabhängigkeitserklärung Kosovos kein »internationales Recht« verletzt worden sei.
Erklärt sich nun Schottland in der EU für unabhängig, dann würde es für Spanien schwer, Katalanen und Basken eine ähnliche Entscheidung zu verweigern. Sogar die konservativen katalanischen Nationalisten der CiU ziehen Parallelen zwischen Schottland und Katalonien. Der katalanische Premier Artur Mas (CiU) wies erst am Dienstag in der »Financial Times« auf die Gefahr einer »Scheidung« hin, wenn sich Madrid einem neuen Finanzierungsmodell verweigere. Das unterfinanzierte Katalonien, das mit 15 Prozent der Bevölkerung gut 20 Prozent der spanischen Wirtschaftskraft generiert, will ein eigenes Finanzierungssystem. Wie die Basken wollen auch die Katalanen Steuern selbst einziehen. Viele katalanische Städte und Dörfer haben sich in Abstimmungen schon für die Unabhängigkeit ausgesprochen.
Die baskische Linke erachtet das Referendum in Schottland als »sehr bedeutsam« für die Möglichkeit, ein unabhängiges, wiedervereinigtes Baskenland zu schaffen. Das Linksbündnis Amaiur, zweitstärkste Kraft im Baskenland, schaut mit »Bewunderung« auf Schottland. Das »Recht der Völker, über ihre Zukunft frei entscheiden zu können«, werde offensichtlich, erklärte Amaiur. Das Bündnis lobt das verantwortliche demokratische Vorgehen Großbritanniens, »an dem sich Staaten wie Spanien ein Beispiel nehmen sollten«. Auch die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) zeigt ihren »gesunden Neid«. Schottland beweise, dass diese Debatte in Europa möglich sei, erklärten PNV-Vertreter.
Erstveröffentlichung: Neues Deutschland vomm 27.1.2012