Unter dem Motto “Basken fordern Lösung”, “Druck steigt im Baskenland” und “Baskenland – Konfliktlösung und Menschenrechte” fanden im März in insgesamt neun Städten, in Potsdam / Babelsberg, Weißenburg, Nürnberg, Karlsruhe, Bünde, Hamburg, Berlin, Kaiserslautern und Regensburg Veranstaltungen der Solidarität mit dem Baskenland statt. Etwa 250 Personen beteiligten sich.
Die Bemühungen um die Lösung des langen Konflikts zwischen dem Baskenland, Spanien und Frankreich haben im Baskenland eine Dynamik der Veränderungen geschaffen. Initiator dieser Friedensdynamik war die baskische linke Unabhängigkeitsbewegung, die durch ihre Strategieänderung hin zur Verfolgung ihrer Ziele mit ausschließlich friedlichen und demokratischen Mitteln im Februar 2010 die Gewaltspirale einseitig durchbrochen hatte. Die baskische Gesellschaft unterstützt seither diese Entwicklung mit überwältigender Mehrheit und großer Energie, internationale Konfliktmoderatoren haben dem Prozess internationale Aufmerksamkeit verschafft. Beide Entwicklungen führten im Oktober 2011 zum Ende des bewaffneten Kampfes von ETA, was wiederum die Tür zu nächsten Schritten öffnete. Im Juni 2012 erstritt die neue Partei der baskischen Linken Sortu ihre Zulassung als Partei gegen den Widerstand der spanischen Regierung und durchbrach damit die spanische Politik der Kriminalisierung und Verdrängung der baskischen Linken aus dem öffentlichen Leben. Anfang März 2013 feierte Sortu ihren Gründungsparteitag.
Anfang März gründete sich ausserdem die neue Jugendbewegung ernai. Vertreter von ernai berichteten auf unseren Veranstaltungen über ihre neue Organisation und ihr Selbstverständnis.
Wie dieser Prozess weitergeht und wie vor allem die Blockade durch die spanische und auch durch die französische Regierung überwunden werden kann, war eines der zentralen Themen der Diskussion auf unseren Veranstaltungen. Nötig ist die Solidarität mit den über 600 baskischen politischen Gefangenen angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen, denen die Gefangenen unterworfen sind. Trotz internationaler Appelle und eines klaren gesellschaftlichen Konsenses im Baskenland weigert sich die spanische Regierung, die speziell gegen die baskischen politischen Gefangenen gerichteten Sondergesetze und strafverschärfenden Sonderbehandlungen abzuschaffen und wenigstens an die in Spanien gültige Rechtslage anzupassen.
Ausschnitte des Films “Barrura Begiratzeko Leihoak – Fenster nach innen”, der im Herbst 2012 im baskischen Donostia (spanisch: San Sebastian) produziert wurde, waren Teil fast jeder Veranstaltung. Der Film begleitet fünft ehemalige und zukünftige Gefangene, sowie die Angehörigen von Gefangenen und zeichnet so ein Bild ihres Lebens. Im Vorfeld der Solidaritätswoche hatten wir begonnen, deutsche Untertitel zu produzieren. Die DVD steht in Kürze mit deutschen Untertiteln zur Verfügung.
Im Anschluss an jede Veranstaltung fanden wir uns für ein Foto der Solidarität mit Ines del Rio zusammen. Ines del Rio kämpft vor dem Europäischen Gerichtshof für ein Ende der “Doktrin Parot”, mit der Spanien in ihrem Fall und bei über 70 weiteren baskischen Gefangenen nach Verbüßung der Strafe eine Strafverlängerung von mehreren Jahren verfügte.
Fotographien aus einem Land, das es nicht gibt
Wir begannen die Woche der Solidarität mit einem speziellen Programm. Von Februar bis April 2013 zeigt das Kulturhaus Babelsberg eine Ausstellung mit Fotographien zum Baskenland, eben „Fotographien aus einem Land, das es nicht gibt“.
Aus dem bayerischen Süden …
Montag, 4. März 2013: zum ersten Mal sind wir zu einem Vortrag in Weißenburg. Eingeladen hatte uns das AJZ-Weissenburg in das selbstverwaltete Jugendzentrum der Stadt.
Ein Abstecher nach Bünde.
Am Mittwoch derselben Woche waren wir in einem anderen selbstverwalteten Jugendzentrum zu einem Vortrag über das Baskenland eingeladen: in der Villa Kunterbunt in Bünde, in der Nähe von Bielefeld, ebenfalls zum ersten Mal:
… über Karlsruhe im Südwesten …
5. März 2013: wie in den vergangenen Jahren fand eine unserer größeren Veranstaltungen in Karlsruhe in der Planwirtschaft statt. Das soziale Zentrum wird von unterschiedlichen linken und gewerkschaftlichen Gruppen genutzt.
Unsere Veranstaltung begann mit Pintxos und baskischem Wein. Etwa 45 Personen waren gekommen, um mit unserem Gast, einem ehemaligen baskischen politischen Gefangenen aus Donostia über die aktuelle Situation im Baskenland zu diskutieren. Wir sprachen über den Strategiewechsel der abertzalen Linken im Licht der Situation im Baskenland und auch angesichts der internationalen Entwicklung.
Es gab eine interessante Diskussion über die Entwicklung verschiedener Befreiungsbewegungen, ihre Kämpfe und auch über die Notwendigkeit der Anpassung und Reflexion der eigenen Strategien.
In Karlsruhe starteten wir eine ganz spezielle Kampagne: jede/r einzelne der über 600 baskischen politischen Gefangenen erhielt von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Veranstaltungen eine Postkarte „Internationale Solidarität – Nazioarteko Elkartasuna“ mit Grüßen in deutscher, spanischer und baskischer Sprache.
… in den Norden nach Hamburg.
7. März 2013: Etwa 45 Personen kamen am Freitagabend ins “Kölibri”, ein soziales Zentrum im Hamburger Stadtviertel St. Pauli. Andoni von der neuen baskischen Jugendorganisation Ernai und Xabi von der Studentenorganisation der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung redeten über die Erfahrungen der Jugendbewegung im Baskenland.
Die Aktivistinnen und Aktivisten der Jugendbewegung werden vom spanischen Staat mit besonderer Brutalität verfolgt. Die baskische Jugendorganisation SEGI war von Spanien im Jahr 2002 zur terroristischen Vereinigung erklärt worden. In Frankreich blieb Segi legal. Politische Workshops, Jugendcamps, CDs von progressiven baskischen Bands, Flugblätter oder auch ein Palästinenserschal mutierten in Spanien zu „Beweisen“, die das spanische Sondergericht Audiencia Nacional als Begründung für eine Verurteilung zu mehrjährigen Haftstrafen anführte. Über 300 Jugendliche wurden in den letzten Jahren für ihre politische Arbeit verhaftet, viele wurden in der berüchtigten Incommunicado-Haft gefoltert. Ein Beispiel von viel zu vielen ist die angekündigte Verhaftung der politischen Aktivistin Irati Tobar. Der Weg der jungen Frau bis zur Verhaftung ist eine der fünf Biographien, die uns der Film „Barrura Begiratzeko Leihoak – Fenster nach innen“ vorstellt.
Und natürlich Berlin!
Am nächsten Tag begleiteten uns Andoni und Xabi nach Berlin. In Berlin gab es Treffen mit verschiedenen Jugend- und Studentenorganisationen.
Nach einer Veranstaltung im Mehringhof, an der etwa 35 Personen teilnahmen, fand ein Abendessen im „Clash“ in Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen statt. Über 100 Leute beteiligten sich. Die Kreuzberger Kneipe hat eine lange Tradition der Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen und organisierte dieses Essen zum zweiten Mal.
… über Kaierslautern …
19. März 2013: Etwa 15 Leute kamen zum Baskischen Kulturabend ins Roachhouse. Der Abend startete in der Küche. Gemeinsam wurde eine Marmitako, ein baskisches Fischgericht, gekocht. Zu dem gemeinsamen Essen gab es baskischen Weisswein, Txakoli, und der Schlehenlikör Patxaran durfte auch nicht fehlen. Anschliessend wurde der Dokumentarfilm „Barrura Begiratzeko Leihoak – Fenster nach Innen“ über die Situation im Baskenland gezeigt.
… nach Regensburg.
21. März 2013: Zum ersten Mal fand auch eine Veranstaltung in Regensburg statt. Fast 30 Interessierte fanden sich in der Martinsklause im Alumneum ein, einem Veranstaltungszentrum der evangelischen Kirche in der Regensburger Innenstadt.
Die Vorbereitungen erfolgten in baskisch-galizisch-deutscher Zusammenarbeit. Auch diese Veranstaltung begannen wir mit Wein und Pintxos. Danach gab es einen Überblick über den baskischen Konflikt, seine historischen Ursachen und über die Solidarität, die nötig ist, um diesen Konflikt trotz spanischer Blockade in den nächsten Jahren endgültig zu lösen. Ein Student aus dem Baskenland berichtete dann über die Kriminalisierung der Jugendbewegung im Baskenland. Er hatte sich die Mühe gemacht, Teile der Urteilsbegründungen gegen Jugendliche aus seiner Heimatstadt Donostia ins Deutsche zu übersetzen. Auch hier dienten beschlagnahmte Flugblätter und Pins als Begründung für „Terrorismus“ und für sechsjährige Haftstrafen. Umso beeindruckender ist es zu erfahren, dass sich an den inhaltlichen Debatten im Vorfeld der Gründung der neuen Jugendbewegung ernai etwa 2.500 Jugendliche beteiligten. Ein eindrucksvoller Beleg für das Scheitern der Versuche, die unbequeme baskische pro-Unabhängigkeits-Jugendbewegung durch die Kriminalisierungspolitik mundtot zu machen.
Es wurde eine lange Nacht, weil der Gesprächsbedarf auch nach den Vorträgen noch groß war und wir noch geraume Zeit Rede und Antwort standen..
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