Längst haben die politischen Gefangenen Mari Igarataundi, Nicolas Francisco und Inaki Pujana ihre Gesamtstrafen abgesessen und müssten sich in Freiheit befinden. Statt dessen wird jedoch die 197/2006-Doktrin des Obersten Gerichts angewandt, die es ermöglicht, Gefangene willkürlich für weitere Jahre einzusperren.
Für Mari Igarataundi, der seit 1987 inhaftiert ist und der am 9. April 2009 hätte entlasssen werden müssen, bedeutet dies, erst im Jahr 2017 freigelassen zu werden. Für Nicolas Francisco war der Entlassungstermin der 25. Mai 2008, auch er wird nicht vor 2017 entlassen werden. Für Inaki Pujana bedeutet dies sogar erst im Jahr 2021 entlassen zu werden, seine Strafe hatte er am 23. Februar 2009 abgesessen.
Von der als “Parot”-Doktrin bekannt gewordenen willkürlichen Strafverlängerung sind derzeit 41 baskische politische Gefangene betroffen.
Gefangene als Geiseln
In seinem Artikel “Verschärfter Ausnahmezustand im Baskenland” vom 18. Februar 2008 erklärt Raul Zelik Hintergründe:
“Diese Verbotspolitik ist nur ein Aspekt des Ausnahmezustandes, den der spanische Staat im Zusammenhang mit dem baskischen Konflikt verhängt hat. Reihenweise werden Gesetze ganz nach politischer Opportunität ausgelegt. Die 700 baskischen Gefangenen, von denen heute fast ein Drittel nicht mehr aus der ETA, sondern aus politischen und sozialen Bewegungen stammt, werden dadurch regelrecht zu Geiseln gemacht.
Bei einigen Dutzend Gefangenen, die nach einer alten Strafvollzugsordnung verurteilt wurden, wurde die Haft auf Grundlage der sogenannten “Parot-Doktrin” unlängst neu berechnet und nachträglich um mehr als zehn Jahre verlängert. Als Begründung für die Regelung wurde ein Einzelfall herangezogen: Es sollte verhindert werden, dass das französisch-baskische ETA-Mitglied Henri Parot, der wegen zahlreicher Mordanschläge verurteilt wurde, nach 17 Jahren wieder aus der Haft freikommt.
Die neue Doktrin gilt jedoch auch für Gefangene, die weder Morde noch Körperverletzungen begangen haben. So wurde der Journalist Inaki Gonzalo Casal beispielsweise Mitte der 1990er Jahre wegen gefälschter Papiere, ETA-Mitgliedschaft, Waffenbesitzes und drei Sprengstoffanschlägen, die so angelegt waren, dass sie niemanden verletzten, zu mehr als 70 Jahren Haft verurteilt. Bei Antritt seiner Strafe musste Gonzalo Casal davon ausgehen, etwa 15 Jahren absitzen zu müssen und den Rest durch gute Führung und das Absolvieren von Studiengängen abgelten zu können. Nach der “Parot-Doktrin” muss er nun 30 Jahre in Haft bleiben.
Außer Kraft gesetzt ist bei baskischen Gefangenen auch das verbriefte Recht, in der Nähe der Herkunftsorte inhaftiert zu werden, und – was noch schlimmer wiegt – die Unversehrtheit von Leib und Leben. Fast wöchentlich berichten Betroffene von Folterungen durch die Guardia Civil. Die dabei angewandten Methoden sind denen im irakischen Gefängnis von Abu Ghreib auffallend ähnlich: Schlafentzug, das Auslösen von Erstickungszuständen (indem Gefangene in Badewannen getaucht oder ihnen Plastiktüten übergestülpt werden), sexuelle Demütigungen, die Vergewaltigung mit Gegenständen etc.
Peio Aierte, Sprecher der baskischen Anti-Folter-Organisation TAT spricht in diesem Zusammenhang von 7000 Folterfällen seit der Einführung der Demokratie 1976. Seiner Einschätzung zufolge sorgen Polizei, Justiz und Gerichtsmedizin dafür, dass Misshandlungen straffrei bleiben. “Es gibt ein System, in dem die Folter kalkuliert zum Einsatz kommt”, so Aierte. “Die Misshandlungen sind so angelegt, dass sie kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Psychisch jedoch wirken sich die angewandten Methoden auf die Betroffenen besonders brutal aus.”
Massenproteste gegen die Gefangenenpolitik
Mehr als 37.000 Menschen gehen für die Rechte der 764 baskischen, politischen Gefangenen auf die Strasse
“Menschenmassen strömen am 3. Januar 2009 durch die Strassen von Bilbo, um gegen unmenschliche Haftbedingungen baskischer Gefangener in spanischen und französischen Gefängnissen zu protestieren. Aufgerufen zur Demonstration hatte Etxerat, die Organisation der Angehörigen der politischen Gefangenen. Unterstützt wurde der Aufruf von insgesamt 40 gewerkschaftlichen, sozialen und politischen Organisationen”