25.12.2012 | Ralf Streck (Telepolis vom 24.12.2012)
Olentzero in Irun

Die Basken feiern ein “Weihnachtsfest”, das eigentlich keines ist, dafür haben sie schon am vergangenen Freitag ausgiebig zu feiern begonnen

Auf den 24. Dezember wartet im Baskenland niemand, denn die Feiern beginnen im spanischen und französischen Teil schon drei Tage zuvor. Von Weltuntergang war im Seebad Donostia-San Sebastian war jedenfalls am Freitag nichts zu spüren, als der Startschuss zum Fest gegeben wurde. Ausgelassen und feuchtfröhlich wird hier jedes Jahr am 21. oder am 22. Dezember die Wintersonnenwende gefeiert. In diesem Jahr war der Andrang besonders groß. Nach einem langen Festtag leerten sich die Straßen der Städte nicht wie üblich am frühen Abend, sondern bis tief hinein in die wieder kürzer werdenden Nächte wurde gefeiert, gesungen und zu den Musikgruppen getanzt, die mit Akkordeons, Flöten, Trommeln und Albokas durch die Straßen ziehen. “Während alle vom Weltuntergang sprechen, lassen wir es wieder richtig krachen”, erklärt Ainara Lertxundi. Auch die junge Frau ist mit ihren Freundinnen in baskischen Trachten schon am Morgen in die Altstadt zum gezogen.

Die Basken feiern eigentlich kein Weihnachtsfest. Tatsächlich wird hier drei Tage bis zum 24. die Wintersonnenwende gefeiert. Schriftliche Überlieferungen des heidnischen Brauchtums gibt es seit 1351. Arrasate (spanisch Mondragón) wird dabei erstmals erwähnt. Die Bewohner in dem Tal im baskischen Hochland, wo die weltweit größten Genossenschaften ihren Sitz haben, fühlen sich als Urheber. Doch sie feiern erst am 22., wie üblich zunächst mit einem Markttag.

Im Seebad Donostia war es stets üblich, am 21. Tribut für gepachtetes Gelände zu zollen. Die Bauern, Hirten, Köhler zogen aus der Provinz Gipuzkoa in die Hauptstadt, um ihren Abgaben zu zahlen, Einkäufe zu tätigen und nach den harten Erntemonaten vor dem langen Winter ausgiebig zu feiern. Es sind noch immer die Provinzen, die Steuern nach alten Foralrechten erheben, weder die baskische noch die spanische Regierung. Spanien hat fünf Finanzbehörden: eines in Madrid und vier in den baskischen Provinzen Bizkaia, Araba, Gipuzkoa und Nafarroa.

Schweine spielen im Fest eine große Rolle, obwohl sie anders als in Spanien in der Ernährung sonst hier eine unbedeutende Rolle haben. Doch das “Txerri” wird mit Liedern und Tänzen am Festtag geehrt. Auf den zentralen Plätzen, zwischen den Txoznas (Ständen mit Essen und Getränken), wird jeweils ein Schwein verlost. Im Trubel in der Altstadt Donostias war es “Tomaxi”. 358 Kilo harrten auf Stroh gebettet, von Kindern umringt, darauf, verlost zu werden. Die kleine Oihane wollte aber nicht an sein Schicksal denken und hoffte auf den Gewinn, “askatzeko” (um es freizulassen), sagt sie.

Doch auch Tomaxi wird nun eher zu “Txistorra” verarbeitet, da der Oihane nicht gewonnen hat. Die rötlichen Würste sind der spanischen Chorizo ähnlich, aber frisch, dünner und nicht scharf. Sie wird am Festtag in Mengen verdrückt. In Kneipen werden Wurst-Häppchen umsonst zum guten baskischen Weißwein “Txakoli” oder “Sagardoa” (Apfelwein) gereicht. An Ständen verkaufen Schülergruppen, Hilfsorganisationen oder politische Gruppen “Talos”. Der Erlös aus Maisfladen mit Würsten dient dazu, eine Abschlussfahrt, Schulausrüstung, die soziale oder politische Arbeit zu finanzieren.

Wenige Meter neben Tomaxi findet sich der Stand der Tierschützer. Auch Atea- Mitglieder haben Lose gekauft, um Tomaxi die Freiheit und ein langes Leben zu schenken. Mit dem Verkauf “vegetarischer Txistorra” kritisierten sie, dass Fleischkonsum die Umwelt zerstöre. Eine junge Aktivistin kann nicht begreifen, dass “fühlende Wesen” degradiert würden, um für unseren “Nutzen und Genuss” da zu sein.

Für Kinder hat der Tag eine große Bedeutung, denn sie haben Briefe mit den Geschenkwünschen vorbereitet. “Txoronpio” und “Txoronpia”, zwei mythologische Gestalten, sammeln für den “Olentzero”. Denn im Baskenland gibt es weder Nikolaus, Weihnachtsmann, Christkind oder Heilige Drei Könige. Es ist ein fröhlicher Köhler, der am 24. Dezember Geschenke bringt. Die Basken müssen nicht auf den 6. Januar warten, bis sie die Heiligen Drei Königen in Spanien bringen. Der Olentzero, der zur Wintersonnenwende aus Bergen herabsteigt, droht unartigen Kindern nicht mit Prügel wie Knecht Ruprecht. Statt Süßigkeiten oder Spielzeugen verteilt er in diesen Fällen schlicht Kohle.

Auch der Olentzero geht auf die vorchristliche Zeit zurück. “Die Köhler haben später eine ganz besondere Bedeutung für die baskische Ökonomie erhalten”, erklärt Edurne Arruti. Ein guter Teil des Reichtums des Landes geht auf ihre Form der Waldbewirtschaftung zurück, erklärt die Kunsthistorikerin. Die Buchenwälder, wurden von Köhlern ihnen nicht geschlagen. Sie entwickelten eine Form der Beschneidung. Da nur die Spitze abgeschlagen wurde, produzierte der Baum schnell und nachhaltig Holz und wird deutlich älter als nicht beschnittene Bäume. Diese Bewirtschaftung sorgte in der Zeit, als das Eisenerz aus den baskischen Bergen mit Holzkohle geschmolzen werden musste, für dauerhaften Nachschub. “Darauf begründet sich unsere Industriekultur”, erklärt Arruti und darin unterscheidet sich das Baskenland ebenfalls sehr deutlich von Spanien. Dass die Basken deutlich erfolgreicher durch die Krise kommen, macht das deutlich.


Erstveröffentlichung: Telepolis, 24.12.2012 weiterlesen >>

Bild (R. Streck): Oletzero im spanisch baskischen Irun

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