Bei den Wahlen in Katalonien stärkten die Wählerinnen und Wähler vor allem linke Parteien, die klar für die Loslösung von Spanien eintreten
Am Sonntag fand in Katalonien ein historischer Wahlprozess mit Auswirkungen auf ganz Spanien statt. Dass die linken radikalen Befürworter der Unabhängigkeit von Spanien zur zweitstärksten Kraft im wurden, macht die Stimmung in Katalonien deutlich. Die Republikanische Linke (ERC) überraschte, die mit knapp 14 Prozent nun mit 21 Sitzen mehr als doppelt so stark im Parlament in
Barcelona vertreten sein wird als bisher. Sie wurde für ihre Kritik am Sparkurs der CiU ebenso belohnt wie für die Tatsache, stets klar für die Unabhängigkeit von Spanien eingetreten zu sein. ERC-Spitzenkandidat Oriol Junqueras war bei der Stimmabgabe in Sant Vicenç dels Horts überzeugt: „Wir schreiben das Vorwort zu einem Buch, dass uns in die Freiheit führt“.
Viele Wähler der moderaten Nationalisten CiU wechselten zum Original ERC, anstatt auf die Kopie CiU zu setzen. Statt 62 Sitze hat sie nur noch 50 Sitze, weil sie von gut 38 auf knapp 31 Prozent abgesackt ist. Dabei wollte der katalanische Regierungschef Artur Mas eine „außerordentliche Mehrheit“ bei den vorgezogenen Wahlen, um ein Referendum über die Unabhängigkeit auf den
Weg zu bringen. Doch die Wähler wollen ihn auf dem Fahrersitz dieses Zugs nur geschwächt. Mas hängt von den Parteien ab, die diese Forderung nicht erst wie er gestellt haben, nachdem die Verhandlungen mit Spanien über eine verbesserte Finanzierung der unterfinanzierten wirtschaftlich starken Region gescheitert sind.
Die in Spanien regierende Volkspartei (PP) hat ihre Ziele verpasst. Statt die katalanische Sektion der spanischen Sozialisten (PSC) als zweitstärkste Kraft abzulösen, gelang dies der ERC. Die spanische Rechte blieb hinter der PSC und fiel auf den vierten Platz zurück, auch wenn die PP mit 19 Sitzen einen mehr als zuvor hat. Das erwartete Debakel für die PSC hielt sich in Grenzen. Sie fiel von gut 18 auf gut 14 Prozent und 20 statt 28 Parlamentarier zurück.
Der ERC-Chef resümierte: „Der Unabhängigkeitsprozess wurde bei diesen Wahlen gestärkt.“ Auch wenn spanische Nationalisten das Gegenteil behaupten, weil die CiU von Mas ihr Ziel nicht erreicht haben, ist die Einschätzung korrekt. Das räumt letztlich auch die katalanische PP-Chefin Alicia Sánchez Camacho ein: „Mas war der beste Kandidat der ERC.“ Doch neben der ERC wurden alle linken Parteien gestärkt, die für das Selbstbestimmungsrecht eintreten.
Die zweite Überraschung war die CUP, die mit 3,5 Prozent erstmals an Regionalwahlen teilnahm und drei Sitze gewann. Der CUP-Spitzenkandidat David Fernández erklärte, das „Ziel wurde erfüllt, als trojanisches Pferd der einfachen Leute“ ins Parlament einzuziehen, um gegen einen “senilen Kapitalismus” einzutreten, der „nur Armut produziert“.
Die linksgrüne Initiative für Katalonien (ICV), die der Vereinten Linken (IU) nahe steht, kam mit knapp zehn Prozent auf nun 13 statt 10 Parlamentarier. Ihr Spitzenkandidat Joan Herrera feiert das historisch beste Ergebnis und sieht die Linke gegenüber dem Sparkurs der CiU gestärkt. Da auch ICV für das Selbstbestimmungsrecht eintritt, haben diese Option knapp 66 Prozent der Katalanen gewählt. Die Referendumsgegner PP und „Ciutadans“ vertreten aber nur knapp 21 Prozent. Die „Katalanischen Bürger“ haben vom Absturz der PSC profitiert und sind statt mit drei mit neun Sitzen vertreten. Die PSC ist in der Frage gespalten und tritt für ein Referendum ein, wenn es Spanien erlaubt.
Regierungschef Mas hat mit Blick auf ERC, ICV und CUP versprochen, der Unabhängigkeitskurs „muss vorwärts gehen“, weil sich die Bevölkerung dafür ausgesprochen habe, auch wenn er die „erwartete Mehrheit“ verpasste. Da seine CiU Wahlsieger ist, gibt es ohne sie keine Regierung. Mit Blick auf die ERC hofft er auf „einen Partner“ für eine stabile Regierung. Gemeinsam kommen
sie mit 71 Sitzen eine stabile absolute Mehrheit.
© Ralf Streck, den 26.11.2012
Siehe auch: Heise, 26.11.2012 weiterlesen