02.07.2012 | Martin Dolzer (Junge Welt vom 30.6.2012)

Stadtteilzentrum in Bilbo/Bilbao geräumt. Prozesse gegen Aktivisten

Das am 4. Juni im Stadtzentrum von Bilbo/Bilbao besetzte Gaztetxe Patakon wurde am Dienstag frühmorgens geräumt. Bei dem Haus handelt es sich um eine alte Fabrik in einem dichtbewohnten Stadtteil, die seit Jahrzehnten leer stand. Mit Hilfe von Nachbarn hatten die Besetzer begonnen, das Gebäude zu renovieren und einzurichten. Es sollte ein »Soziales Zentrum« entstehen, in dem unter anderem eine Bücherei, eine Kletterwand sowie eine Volksküche eingerichtet und weitere kulturelle und soziale Aktivitäten angeboten werden sollten. Nach der Räumung des Sozialen Zentrums Kukutza im September 2011 ist dies nun das zweite Ende eines Stadteilzentrums in Bilbo/Bilbao innerhalb kurzer Zeit.

Im Kukutza nahmen Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren an einer Vielzahl von Veranstaltungen und Bildungsangeboten Teil. Zudem hatte sich die Bevölkerung dort, wie jetzt auch im Patakon, in basisdemokratsichen Stadträten organisiert. Nachdem Polizeibeamte bei der Erstürmung des seit 13 Jahren besetzten Kukutza mehrere Menschen mit Gummigeschossen zum Teil schwer verletzten, kam es zu tagelangen Protesten. Vor zwei Wochen wurden die deutschen Aktivisten Rafael H. und Florian W. angeklagt, die sich an den Kundgebungen beteiligt hatten. Vorgeworfen wird ihnen, Müllcontainer angezündet zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert dreieinhalb Jahre Haft wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung. Zivilpolizisten hatten die beiden bei der Festnahme brutal zusammengeschlagen. Viele weitere Aktivisten erwarten in den nächten Monaten Prozesse aufrgund ähnlicher Vorwürfe.

Auf einer Demonstration gegen die Räumung des Gaztetxe Patakon kritsierten die Teilnehmer die intolerante Politik gegen Projekte von und für die Bevölkerung. Der uneigennützige Arbeitseinsatz vieler Jugendlicher und das demokratische und soziale Engagement der Menschen werde kriminalisiert, während gleichzeitig viele Gebäude brach liegen und die Stadt kapitalkonform gentrifiziert wird. In Bilbo/Bilbao mit 352700 Einwohnern stehen mehr als 20000 Wohnungen und Fabrikgebäude leer.

Die Fraktion der abertzalen Linken im Stadtrat fordert die Anerkennung der gemeinnützigen Arbeit in selbstverwalteten Zentren. Darüber hinaus will sie eine Regelung, die einen Gebäudeleerstand von mehr als drei Jahren verhindert, und einen Dialog über Möglichkeiten, das Patakon-Projekt weiter zu betreiben.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 30.6.2012 Zum Originalartikel >>

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