24.06.2012 | Uschi Grandel (Junge Welt vom 23.6.2012)

Spanisches Verfassungsgericht kippt Verbot der Partei der baskischen Linken

Egunon Euskal Herria – Guten Tag, Baskenland«. Wenige Minuten nach der Meldung der Legalisierung von Sortu, der vor einem Jahr neu gegründeten Partei der baskischen Linken, ging ihre Facebook-Seite am Mittwoch abend online. Sortu ist baskisch und heißt eigentlich »entstehen« oder »geboren werden«. Im Falle von Sortu handelt es sich allerdings mehr um eine Wiedergeburt. Vor 15 Monaten hatte sich die Partei gegründet. Das spanische Innenministerium ließ die Organisation aber nicht zu. Zwar erfülle sie alle gesetzlichen Vorgaben, aber der Minister wertete diese Gesetzestreue als besonders arglistige Täuschung. Das oberste Gericht verbot die Partei kurz darauf quasi vorbeugend. Das Verfassungsgericht beendete diese undemokratische Willkür nun mit der knappen Mehrheit von sechs gegen fünf Stimmen. Das Verbot verletze das Recht auf freien Zusammenschluß, argumentierten die Richter.

Zehn Jahre nach dem Verbot von Batasuna (Einheit) ist der Zyklus der Verbote aller Parteien und Wahllisten im Umfeld der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung damit durchbrochen. Sie wolle »ihre Freude und ihre große Genugtuung über die Legalisierung Sortus ausdrücken«, erklärte das Gründungsmitglied Maider Etxebarria auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag in Bilbo (spanisch: Bilbao). Diese Entscheidung müsse nun auch das Ende der alten Rezepte einleiten und zum Beginn einer neuen Zeit werden. Sortu sei sich aber bewußt, daß Teile des spanischen Staates lieber ein Konfliktszenario aufrechterhalten würden und den Willen der baskischen Bevölkerung nach Lösungen und nach Frieden mißachten.

Der spanische Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón erklärte »mit höchstem Respekt gegenüber dem Verfassungsgericht«, daß die Regierung »mit dem Inhalt des Urteils nicht übereinstimme«. Diese befürchtet nun den Zusammenbruch ihrer Kriminalisierungspolitik, mit der sie seit nunmehr zehn Jahren das Umfeld der Unabhängigkeitsbewegung als »Terroristen im Geiste« verfolgt. Denn die neue politische Situation im Baskenland, deren Grundstein die baskische Linke mit ihrem Strategiewechsel im Februar 2010 gelegt hatte, verändert auch in Spanien Sichtweisen. Am vergangenen Montag sprach das spanische Sondergericht Audiencia Nacional alle elf Angeklagten im Prozeß gegen die baskischen Wahllisten D3M (Demokratie für drei Millionen, in Anspielung auf die etwa drei Millionen Basken) und Askatasuna (Freiheit) frei. Für ihren Versuch, im März 2009 zu den baskischen Regionalwahlen zu kandidieren, hatte die Staatsanwaltschaft zwischen sechs und neun Jahre Haft gefordert.

In die Freude über die gesetzliche Anerkennung von Sortu mischt sich im Baskenland die Forderung nach der Freilassung des bekannten Sprechers der baskischen Linken Arnaldo Otegi. Er hatte die neue Strategie vor drei Jahren gemeinsam mit Rafa Díez, Miren Zabaleta, Sonia Jacinto und Arkaitz Rodríguez auf den Weg gebracht. Seit Herbst 2009 sitzen die fünf dafür in spanischen Gefängnissen.

»In Kürze« will Sortu eine Diskussion über Ideologie, politische Ausrichtung, Organisation und Kommunikationsstrukturen unter Mitwirkung der gesamten Basis der linken Unabhängigkeitsbewegung »in allen Orten und Stadtvierteln« führen.


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Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 23.6.2012

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