Das Kollektiv der baskischen politischen Gefangenen (EPPK) stellt sich hinter die Entscheidung, den bewaffneten Kampf zu beenden, und ist sich des “vielfach angerichteten Leids” bewusst. (Foto, Jon HERNAEZ / ARGAZKI PRESS: das EPPK präsentiert in Gernika die Ergebnisse seiner internen Diskussion)
Die spanische Regierung verweigert sich weiter allen Friedensinitiativen. “Niemals” werden sie eine Amnestie bekommen, erklärte der konservative spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz auf die Forderung des EPPK. Er fügte an, dass die ETA keine “Reue” zeige und nicht “um Vergebung” bitte, nachdem sie in den mehr als 50 Jahren ihres Kampfes über 800 Menschen umgebracht habe. Er hält die von den Gefangenen geforderte Amnesty für illegal. Dabei wurden sogar die ungezählten Verbrechen der Franco-Diktatur amnestiert. Auch der Innenminister der baskischen Regionalregierung lehnt kollektive Lösungen ab. Allerdings will der spanische Sozialist Rodolfo Ares die Tür zur individuellen “Wiedereingliederung” und zu “Hafterleichterungen” offen lassen. “Es liegt in ihren Händen, denn sie müssen sich von der Gewalt abwenden und den angerichteten Schaden anerkennen.”
Diese Aussage erstaunt, weil diese Vorgaben längst umgesetzt sind. Die ETA hatte im Oktober 2011 erklärt, den bewaffneten Kampf “ein für alle Mal” einzustellen und allein auf “politische und demokratische Mittel” zu setzen. Hinter diese Erklärung haben sich am Samstag die etwa 700 Gefangenen des Konflikts gestellt, die meist in spanischen und französischen Knästen sitzen. Öffentlich haben zwei EPPK-Sprecher im baskischen Gernika die Entscheidung unterstützt, “die Phase der bewaffneten Aktivität abzuschließen”.
Erstmals wurde auch öffentlich erklärt, sich über das “vielfach angerichtete Leid” bei den Opfern bewusst zu sein und zur Konfliktlösung aufgerufen. In einem “tiefgreifenden und schmerzhaften Vorgang” sei es dabei für alle Konfliktparteien eine “unvermeidbare Aufgabe”, den von ihnen angerichteten Schaden anzuerkennen. Die Gefangenen seien eine Konsequenz des Konflikts, weshalb “Hindernisse für unsere Freilassung” verschwinden müssten. Raymond McCartney, Ex-Gefangener aus den Reihen der irischen Untergrundorganisation IRA, bekräftigte auf der Veranstaltung aus eigener Erfahrung, dass es ohne eine Lösung der Gefangenenfrage keinen wirklichen Friedensprozess geben kann. Der Politiker der Sinn Féin-Partei sprach in Gernika von einem “historischen Tag”.
Die Gefangenen fordern Spanien und Frankreich auf, “mutig und verantwortlich” mit der Situation umzugehen, damit alle gewinnen können. Ein ähnlicher Aufruf kam in der vergangenen Woche auch von der internationalen Kontaktgruppe unter Führung des Südafrikaners Brian Currin, hinter dem auch die Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, Frederik de Klerk und die Nelson Mandela Stiftung stehen. Die Kontaktgruppe besuchte in der vergangen Woche erneut das Baskenland. Die Vermittler, die auch eine Kommission zur Verifizierung der Waffenruhe der ETA ins Leben gerufen haben, bestätigten, die ETA habe alle “terroristischen Aktivitäten” eingestellt. Die Gruppe sah sich auch durch den baskischen Innenminister bestätigt, der dies ebenfalls längst eingeräumt hat.
In einer Stellungnahme hat die Kontaktgruppe auf die Umsetzung des “Friedensplan von Aiete” gedrängt. Auf einer Friedenskonferenz im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian war er unter Beteiligung des früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, dem irische Ex Ministerpräsident Bertie Ahern und anderen Persönlichkeiten ausgearbeitet worden. Nachdem die ETA die Vorbedingung erfüllt habe, den Kampf einzustellen, müssten Spanien und Frankreich mit ihr über die “Konsequenzen des Konflikts” verhandeln. Die Kontaktgruppe “bittet eindringlich” die Regierungen “mit der ETA in Kontakt zu treten”, um diese wichtige Chance zu nutzen. Spanien erkennt die Vermittler und den Friedensplan nicht an. Der Innenminister sagte kürzlich, er brauche keine Vermittler, die Polizei sei “ausreichend, eine Auflösung der terroristischen Organisation zu verifizieren”.
© Ralf Streck, Gernika den 04.06.2012