Streikdemo in Donostia am 2932012

Während die Basken die Bevölkerung gegen das “neoliberale Dogma” organisieren, wollen die großen spanischen Gewerkschaften über Einschnitte mitbestimmen

Die Basken haben am gestrigen Generalstreik unzweideutig klar gemacht, was sie von der neoliberalen spanischen Politik halten. Im Baskenland ging tatsächlich praktisch nichts mehr am Donnerstag, nachdem die baskischen Gewerkschaften in Aktionseinheit mit Gewerkschaften aus Galicien, Katalonien und den Kanarischen Inseln zum Generalstreik aufgerufen hatten. In ihrem gemeinsamen Aufruf heißt es, die Bevölkerung müsse gegen das “herrschende neoliberale Dogma” und die “Angriffe auf den Wohlstand der einfachen Menschen” organisiert werden. Gefordert wird auch die soziale und nationale Selbstbestimmung, die Madrid ebenfalls angreife (S. Webseite der baskischen Gewerkschaft LAB – Aufruf zum Generalstreik).

Die baskische Gewerkschaftseinheit hatte schnell reagiert und sofort zu ihrem vierten Generalstreik aufgerufen (http://www.heise.de/tp/blogs/8/147918), nachdem die spanische Regierung ihre Arbeitsmarktreform im Februar ohne Verhandlungen per Dekret diktierte. Da sich vor drei Wochen schließlich auch die großen spanischen Gewerkschaften anschlossen, streikten hier erstmals seit vielen Jahren wieder alle Gewerkschaften gemeinsam. Man demonstrierte aber, wegen der unterschiedlichen Ausrichtung getrennt. In Donostia blieb die Demo der beiden größten spanischen Gewerkschaften mit etwa 1000 Beteiligten sehr überschaubar. Die baskischen Gewerkschaften zogen in drei Demonstrationszügen mit jeweils Zehntausenden in die Innenstadt. (siehe Videos).

Der Ausstand war im Baskenland praktisch total. Besonders stark war er im Seebad Donostia-San Sebastian und Umgebung, weil sich sogar die linksnationalistische Regierung der Provinz Gipuzkoa und auch die großen Kooperativen beteiligten. Ähnlich sah es aber im gesamten Baskenland aus. Überall gingen die Menschen in Städten und Dörfern auf die von eitler Sonne beschienenen Straßen. Sogar die baskische Regierung räumte schließlich eine hohe Beteiligung von 60 bis 70% in der Privatwirtschaft und 72% im öffentlichen Dienst ein. (Bericht Diario Vasco in spanischer Sprache). Dabei waren Streikposten in den verwaisten Industriegebieten meist unnötig, das musste sogar die rechte Tageszeitung Diario Vasco eingestehen (siehe Video).

Man könne den Unternehmern und ihrer Regierung mit Würde sagen “Es reicht”, habe das Baskenland gezeigt, sagte in Bilbao Ainhoa Etxaide, Generalsekretärin der Gewerkschaft LAB. Neben den Industriegebieten blieben auch die Häfen vollständig inaktiv. In einigen Werken, wie dem Michelin-Werk in Lasarte erschien nur ein Arbeiter zum Dienst. Geschäfte, Banken und Restaurants blieben mangels Belegschaft geschlossen. Auch in den deutschen Automobil-Werken von Daimler in Gasteiz (Vitoria) und VW in Iruña (Pamplona) ging nichts und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es im Baskenland nur selten. Allerdings erlitt ein Streikender in Gasteiz einen Schädelbruch, als die Polizei brutal auf Streikposten vor dem Kaufhaus Corte Inglés vorging, der unbedingt öffnen wollte.

Anders war das in Katalonien, wo auch brennende Barrikaden auf Autobahnen und auch in der Metropole Barcelona errichtet wurden, um den Verkehr zu behindern (Siehe Bericht in spanischer Sprache). Der Streik war auch in Katalonien und Galicien überdurchschnittlich hoch und es stach hervor, dass die anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften CGT und CNT mehr als 20.000 Menschen auf ihre Streikdemo mobilisieren konnten. In einigen Städten ging die Polizei sehr hart gegen Streikposten vor. Festnahmen und Verletzte wurden vor allem aus den südspanischen Städten gemeldet. Doch auch in Madrid wurden 24 Personen festgenommen. Hier blockierten Streikende auch Großmärkte wie Mercamadrid.

Auch die spanischen Gewerkschaften sprechen von einem “Erfolg”. Der zeigte sich auch am Stromverbrauch, der am Morgen fast 25% unter dem vor einer Woche lag. Dabei wird auch beobachtet, dass die Straßenbeleuchtung in Teilen Madrids und an anderen Orten am Tag eingeschaltet war (http://instagr.am/p/IwQR8DQ9iG/), um den Stromverbrauch künstlich zu erhöhen. Bestätigte sich das, würde sich auch erklären lassen, warum die Differenz im Tagesverlauf auf knapp16% geschrumpft ist. Die Differenz war am Morgen aber deutlich größer als beim Generalstreik gegen die Kürzungspolitik der sozialistischen Vorgängerregierung im September 2010. (http://www.heise.de/tp/artikel/33/33423/1.html) Die großen spanischen Gewerkschaften gaben die Streikbeteiligung mit durchschnittlich 77% an. In der Industrie seien sie mit 97% deutlich höher und in der öffentlichen Verwaltung 57% geringer gewesen ().

Den Streik-Erfolg wollen die spanischen Gewerkschaften nun aber nur dazu nutzen, um die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy an den Verhandlungstisch zu zwingen, während aus dem Dekret auf dem parlamentarischen Weg bereits ein Gesetz gegossen wird. Man müsse einen “Konsens im Land finden”, sagte Fernández Toxo, Generalsekretär der großen Arbeiterkommissionen (CCOO) in Madrid. Die kämpferischen Regionalgewerkschaften lehnen aber diese Sozialpaktgespräche ab. Denn darin schlucken die großen spanischen Gewerkschaften immer wieder Kröten und haben sogar die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 abgenickt.

Doch angesichts der harten Haltung der Regierung, stellen sich nun auch die spanischen Gewerkschaften offenbar auf einen längerfristigen Konflikt ein. Sollte die Regierung den ausgestreckten Arm weiter ablehnen, “werden die Konflikte weiter zunehmen”, drohte Toxo. Er schloss nicht aus, dass die CCOO und UGT am 1. Mai einen neuen Generalstreik beschließen, wenn die Regierung nicht einlenkt. Toxo wirft der Regierung vor, sich nur “die Haushaltkonsolidierung zu konzentrieren, wobei die Arbeitslosen völlig vergessen würden”. Der CCOO-Chef bezweifelt, dass bei steigender Arbeitslosigkeit, die mit Steuerausfällen und steigenden Sozialausgaben einhergeht, ohne Wachstum die Sanierung gelingen kann.

Die Gewerkschaften erinnern Rajoy daran, dass seine Partei schon 2002 eine Arbeitsmarktreform nach einem Generalstreik fast vollständig zurücknehmen musste, der damals in den staatlich kontrollierten vollständig negiert wurde. Der Informationsdirektor wurde deshalb später sogar zur Richtigstellung verurteilt (http://www.heise.de/tp/artikel/18/18001/1.html). Zudem wurde die Reform später auch noch vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und erneut gibt es große Zweifel, ob diese Reform von der Verfassung gedeckt wird. Sie verweisen auch darauf, dass die Konservativen am vergangenen Sonntag in zwei Regionen an den Wahlurnen nach nur vier Monaten die Quittung für ihre Politik bekommen haben. In der bevölkerungsreichsten Region Andalusien verfehlte sie ihr Ziel deutlich, den Sozialisten auch in der letzten Hochburg die Macht zu nehmen, wie es prognostiziert worden war. Die PP verlor seit November wieder 400.000 Stimmen in der Region und den Durchmarsch verhinderte die Vereinte Linke (http://www.heise.de/tp/blogs/8/151689), die sich am Generalstreik beteiligt hat.

Angesichts der Erfahrungen und der Tatsache, dass die PP bei den Wahlen ihre Ziele deutlich verpasst hat, wirkten ihre Versuche hilflos, vor dem Streik mit einer harten Haltung zu demobilisieren. Wirtschaftsminister Luis de Guindos hatte erklärt, man werde trotz des Generalstreiks “keinen Zollbreit” von der Arbeitsmarktreform abgehen. (http://www.publico.es/427532/el-gobierno-sordo-ante-la-huegla-no-modificara-un-apice-la-reforma-laboral) Der Finanzminister fügte an, damit werde die Krise nur verschärft, die schon viele Arbeitsplätze vernichtet habe, sagte Cristóbal Montoro “Es steht auf dem Spiel, ob wir aus der Krise herauskommen” und nicht, ob ein Generalstreik stark oder schwach befolgt werde.

Wegen harter Sparmaßnahmen und einer Reform, die den Kündigungsschutz in Spanien praktisch abschafft, die Abfindungszahlungen mehr als halbiert, die Mitbestimmung der Betriebsräte und Gewerkschaften enorm beschneidet (http://www.heise.de/tp/blogs/8/151425), hat die Regierung den Streik mit diesen Worten nur weiter angeheizt. Die Vertreter Postfaschisten der Volkspartei (PP) können ohnehin den Widerspruch nicht auflösen, dass sie mit ihrer Reform Arbeitsplätze schaffen will, aber die Regierung für 2012 prognostiziert, die Zahl der Arbeitslosen werde von etwa 5,4 auf fast 6 Millionen Land ansteigen. Die Wirtschaft soll erneut um 1,7% schrumpfen und die Jugend verliert jede Hoffnung, denn die Jugendarbeitslosigkeit ist sogar auf über 50% gestiegen. (http://www.heise.de/tp/blogs/8/151548)

© Ralf Streck, den 29.03.2012

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