Solidaritätserklärung an die baskische Gefangenenhilfsorganisation Herrira
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Angriffe des spanischen Staates auf die Gefangenhilfsorganisation „Herrira“ verurteilen wir aufs Schärfste. Sie erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem die abertzale Linke sich einer weitreichenden politischen Umorientierung unterzogen hat und auf eine demokratische Weise den seit Jahrzehnten bestehenden Konflikt um das Baskenland lösen will. Unumkehrbare Schritte wie die Aufgabe des bewaffneten Kampfes seitens der ETA sollten als Dialogangebot gesehen werden und dazu dienen, zu einem historischen Ausgleich zu kommen, der natürlich auch eine Lösung für die politischen Gefangenen enthalten muss. Diesem Dialog verweigert sich der spanische Staat beharrlich und setzt stattdessen weiter allein auf Repression. Mittels eines ausufernden Terrorismusbegriffs werden legale und demokratische Aktivitäten kriminalisiert und so die Zahl der politischen Gefangenen erhöht, anstatt zu einer Lösung zu kommen.
Als AZADÎ e.V. unterstützen wir seit vielen Jahren Kurdinnen und Kurden in Deutschland, die aufgrund ihrer politischen Tätigkeit verfolgt werden, indem wir Anwältinnen und Anwälte vermitteln, Prozesse beobachten und die Inhaftierten unterstützen. Grundlage der Kriminalisierung bildet das seit 1993 bestehende Verbot der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und deren Listung auf der EU-Terrorliste. Wie euch sicherlich bekannt ist, hat es auch in der Türkei/Kurdistan in diesem Jahr weitreichende Veränderungen gegeben. Auf der Grundlage eines Dialogs zwischen der türkischen Regierung und dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan hat die kurdische Guerilla im März einen Waffenstillstand verkündet und begonnen, sich aus der Türkei in den Irak zurück zu ziehen. Auch wenn der Prozess zur Zeit fragil ist, bleibt doch die Hoffnung auf ein Ende des seit 30 Jahren anhaltenden Krieges. Auf diese Entwicklungen hat die deutsche Bundesregierung bislang in keiner Weise reagiert und hält an ihrem Kriminalisierungskonzept fest, das allein auf Repression setzt. Demonstrationen werden angegriffen und aufgelöst, die Medienfreiheit eingeschränkt und kurdische AktivistInnen als „Mitglieder einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ strafverfolgt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Es gibt weltweit Kräfte, die sich vor in der Bevölkerung verankerten emanzipatorischen Bewegungen mit klaren politischen Vorstellungen sehr viel mehr fürchten als vor bewaffneten Kämpfen. Diese Kräfte sind an einem Ausgleich nicht interessiert und praktizieren eine Politik der Spannungen und Eskalation, um durch die Angst der Bevölkerung ihre Machtpositionen halten zu können. Solche Kräfte sehen wir bei den jüngsten Angriffen gegen „Herrira“ am Werk. Unter dem Vorwand, Demokratie und Recht durchzusetzen, soll statt Ausgleich und geschichtlicher Aufarbeitung eine totale Kapitulation der emanzipatorischen Kräfte nach den Maßgaben des Kapitalismus und
Imperialismus erreicht werden. Die politischen Gefangenen stehen dabei besonders im Fokus. Sie sind sowohl Geiseln als auch Zeichen für die angebliche Allmacht des Staates.
Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Politik, die allein auf Justiz und Polizei setzt, statt die gegebenen Konflikte dialogbereit politisch und historisch zu analysieren, zum Scheitern verurteilt ist, egal ob im Baskenland, in Kurdistan oder in Deutschland.
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Hoch die internationale Solidarität!
Mit solidarischen Grüßen
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen
und Kurden in Deutschland, Köln
3. Oktober 2013