Über 30 baskische Organisationen, darunter fünf Parteien, unterzeichneten gestern im baskischen Gernika (span: Guernica) ein “ABKOMMEN FÜR EIN FRIEDENSSZENARIO UND FÜR EINE DEMOKRATISCHE LÖSUNG”. Der Ort Gernika und das gleichnamige Bild Picassos im Hintergrund sind Symbol für den jahrzehntelangen spanisch-baskischen Konflikt. Das Foto zeigt die Titelseite des Abkommens. Es appelliert an ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) und an die spanische Regierung, ihre Konfrontationsstrategien zu beenden und eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen:
“Die unterzeichnenden politischen und sozialen Organisationen und Gewerkschaften fordern ETA und die spanische Regierung auf, Entscheidungen zu treffen und Initiativen zu starten, die das beschriebene Szenario ermöglichen, ein gewaltfreies Szenario, abgesichert durch Garantien, und gekennzeichnet durch zunehmende politische Normalisierung. “
Das Abkommen ist ein weiterer wichtiger Schritt der Initiative der baskischen Pro-Unabhängigkeitsbewegung (Abertzale Linke) zur friedlichen und demokratischen Lösung des Konflikts. Vorausgegangen ist ihm ein Abkommen zur strategischen Allianz, das die Abertzale Linke und die sozialdemokratische EA (Eusko Alkartasuna – Baskische Solidarität) im Juni dieses Jahres schlossen. Siehe hierzu auch unseren Themenschwerpunkt Konfliktlösung.
Deutsche Übersetzung des vollständigen Abkommens:
ABKOMMEN FÜR EIN FRIEDENSSZENARIO
UND FÜR EINE DEMOKRATISCHE LÖSUNG
Das Baskenland hat die Möglichkeit, den politischen Konflikt und die gewaltsame Auseinandersetzung zu überwinden und ein Friedensszenario und demokratische Lösungen zu erreichen.
Um in diese Richtung voranzukommen, benötigen wir einen Zustand ohne Gewalt, abgesichert durch Garantien, und eine erste Stufe der politischen Normalisierung, die folgende Schritte als Grundlage hat:
• Die Erklärung eines permanenten und unilateralen Waffenstillstands durch ETA, der durch die internationale Gemeinschaft verifizierbar ist, als ein Ausdruck ihres Willens, bewaffnete Aktivitäten definitiv zu beenden.
• Anerkennung der Bürgerrechte und der politischen Rechte, ungehinderte Ausübung und Entwicklung aller politischen Projekte. Denn die Anerkennung und der Schutz der Menschenrechte ohne jede Ausnahme ist deren Fundament. Deshalb fordern wir die Abschaffung des Gesetzes zu den politischen Parteien (Ley de Partidos Políticos), weil es die juristische Grundlage für die Verletzung der Grundrechte ist.
• Ein Ende jeder Art von Drohung, Druck, Verfolgung, Verhaftungen und Folter gegen Personen auf Grund ihrer politischen Aktivität oder Ideologie.
• Ein Ende der andauernden Gefangenenpolitik gegen baskische politische Gefangene, die bis heute Teil der Konfrontationsstrategie ist und eine Umsetzung der folgenden Maßnahmen als erster Schritt in Richtung einer Amnestie, die sich auf alle Gefangenen und Flüchtlinge erstreckt, die es auf Grund des politischen Konflikts gibt:
o Verlegung aller Gefangenen ins Baskenland, und damit ein Ende der Politik der Zerstreuung
o Entlassung aller schwer kranken Gefangenen
o Die vorläufige Entlassung aller präventiv Inhaftierten, die im Gefängnis auf ihren Prozess warten
o Entlassung aller verurteilten Gefangenen auf Bewährung, die die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllen.
o Anwendung aller rechtlich zulässigen Vergünstigungen für Gefangene ohne Beschränkung und Willkür
o Abschaffung der gesetzlichen Grundlage für die Ausdehnung von Haftstrafen auf 40 Jahre
• Revision aller Gerichtsverfahren gegen Personen und Organisationen, in denen auf Grund von politischer Aktivität Verurteilungen erfolgten.
• Abschaffung aller Sondergerichte und Tribunale, aller Sondergesetzgebungen und ein Ende der Incommunicado-Haft.
• Aufhebung der Einschränkungen und/oder der Verbote von politischer Betätigung für Pro-Unabhängigkeits-Aktivisten und –Organisationen.
• Einbeziehung internationaler Persönlichkeiten, um die Einhaltung der Menschenrechte zu verifizieren.
Die unterzeichnenden politischen und sozialen Organisationen und Gewerkschaften fordern ETA und die spanische Regierung auf, Entscheidungen zu treffen und Initiativen zu starten, die das beschriebene Szenario ermöglichen, ein gewaltfreies Szenario, abgesichert durch Garantien, und gekennzeichnet durch zunehmende politische Normalisierung.
Die unterzeichnenden Parteien sind außerdem der Auffassung, dass es im Rahmen eines Prozesses dieser Charakteristik, in einem stabilisierten Friedensszenario und ausreichender politischer Normalisierung, wichtig wird, Raum für politischen Dialog und Verhandlungen zu schaffen, um die Gründe und Konsequenzen des Konflikts vollständig aufzuarbeiten.
Dieser Prozess des Dialogs und der Verhandlungen muss auf den folgenden Prinzipien basieren:
• Dialog und Verhandlungen in allen Bereichen folgen den „Mitchell-Prinzipien“:
o Lösung politischer Probleme mit demokratischen und ausschließlich friedlichen Mitteln
o Versuche, mit Gewalt oder mit der Androhung von Gewalt das Ergebnis von Allparteienverhandlungen zu beeinflussen, werden nicht toleriert.
o Es besteht Einvernehmen, jedes in den Allparteienverhandlungen erzielte Abkommen zu befolgen und nur mit demokratischen und ausschließlich friedlichen Mitteln zu versuchen, Aspekte zu ändern, mit denen man nicht übereinstimmt.
• Am Verhandlungsprozess für ein politisches Abkommen werden ausschließlich politische und soziale Organisationen, sowie Gewerkschaften beteiligt sein.
• Als Ziel eines politischen Dialogs streben wir ein inklusives Abkommen aller politischen Kulturen des Landes an. Inhalt eines solchen Abkommens ist sowohl die Anerkennung der Realität einer baskischen Nation als auch des Rechts zu entscheiden, Respekt vor dem demokratischen Willen der Bevölkerung bezüglich der internen rechtlichen und institutionellen Modelle und bezüglich der Art der Beziehung mit den Staaten, die Unabhängigkeit eingeschlossen.
• Notwendigkeit der Anerkennung, Aussöhnung und Entschädigung von Opfern des politischen Konflikts, Anerkennung der Realität der vielen Formen von Gewalt.
Heutzutage ist als Konsequenz der existierenden sozialen Bedingungen die Beteiligung von Männern und Frauen nicht gleich. Deshalb müssen Frauen eine aktive Rolle bei der Lösung spielen, denn sie stehen nicht außerhalb des politischen Konflikts.
Alle Aussagen dieses Dokuments werden so von den unterzeichnenden Gewerkschaftern, politischen und sozialen Organisationen vertreten. Wir verpflichten uns, sie zu erfüllen, sie international bekanntzumachen und für die Einbeziehung der baskischen Gesellschaft zu arbeiten, so dass die Bürgerinnen und Bürger sie annehmen und ihre Rolle als einziger Garant der Entwicklung des demokratischen Lösungsprozesses wahrnehmen.
Gernika, Euskal Herria – Baskenland
25. September 2010
UNTERZEICHNENDE ORGANISATIONEN:
ABERTZALEEN BATASUNA
ALTERNATIBA
ARALAR
EUSKO ALKARTASUNA
EZKER ABERTZALEA
EHNE
EILAS
ESK
HIRU
LAB
AEK
APAIZEN KOORDINAKUNDEA
BERTSOZALEEN ELKARTEA
BILGUNE FEMINISTA
ESAIT
ETXERAT
EUSKAL HERRIAK BERE ESKOLA
EUSKAL HERRIKO GURASO ELKARTEA (EHIGE)
EUSKAL IDAZLEEN ELKARTEA
EUSKARIA
EZKER SOBERANISTA
GAINDEGIA
GazteHerria-GAZTE ABERTZALEAK
GazteHerria-GAZTE INDEPENDENTISTAK
GazteHerria-ALTERNATIBA
GIZA ESKUBIDEEN BEHATOKIA
GURASO ELKARTEA
HERRIA 2000 ELIZA
HIZKUNTZ ESKUBIDEEN BEHATOKIA
INDEPENDENTISTAK
IKASTOLEN KONFEDERAKUNTZA
IRATZARRI
SORTZEN-IKASBATUAZ
TAT