Der Interabend zeigt den Film "Das zerbrochene Fenster"

16.02.2009. | Berlin | Filmvorf?hrung

Ort: Schnarup-Thumby, Scharnweberstr. 38, Berlin-F'Hain | Uhrzeit: 20.00 Uhr

Der Internationalistische Abend zeigt die Dokumentation "Hautsitako Leihoa - das zerbrochene Fenster - ein gew?hnlicher Tag im Baskenland" (23min), u.a. mit Infos zur baskischen Jugendbewegung und "Kale Borroka". Danach Infos zur Situation.

Rezension: Cristina Maristany, Schriftstellerin (GARA)

“Hautsitako Leihoa – das zerbrochene Fenster”
ein gew?hnlicher Tag im Baskenland

Ich habe k?rzlich einen sehr interessanten Dokumentarfilm gesehen. Er wurde bereits vor f?nf Jahren gedreht, aber erst jetzt erstmalig gezeigt. Aktueller denn je. Der Film heisst ?Hautsitako Leihoa? (das zerbrochene Fenster), er wurde von den Regisseuren E?aut Toulouse und Hammudi al-Rahmoun in der ESCAC (Escuela de Cine de Catalunya) produziert. Der Film erz?hlt die Geschichte eines gew?hnlichen Tages im Baskenland. Ein Gl?ckwunsch an die Produzenten von Esc?ndalo f?r ihren Mut! Der Film ist wunderbar und notwendig.

Zerst?rung der elementaren Rechtgrundlage: der Unschuldsvermutung

Durch die Worte des damaligen Richters des Madrider Provinzialgerichts, Joaqu?n Navarro Esteban, betreten wir anhand der Geschichte einiger junger Leute, die wegen ?kale borroka? (Strassenkampf) verhaftet worden waren, die schreckliche und verschwiegene Realit?t im Baskenland. Navarro sagt, dass in diesem Land nach dem nordamerikanischen Strafsystem verfahren wird, das durch die Theorie der zerbrochenen Fensterscheibe charakterisiert werden kann: bestrafe den Verursacher der zerbrochenen Scheibe so hart wir m?glich. Denn wenn er nicht die h?rtest m?gliche Strafe erh?lt, wird er sp?ter als M?rder enden und jemanden umbringen. Joaqu?n Navarro beschreibt die verschiedenen Interpretationen, die ein und dieselbe Tat aus diesem Grund erf?hrt, abh?ngig davon ob sie im Baskenland begangen wird oder ausserhalb. Er gibt ein Beispiel daf?r: wenn ein Jugendlicher in Almer?a einen Feuerwerksk?rper gegen einen Geldautomaten wirft, wird die Strafe minimal sein. Vielleicht eine kleine Geldstrafe. Wenn dasselbe im Baskenland passiert, wird die Tat unmittelbar zum terroristischen Akt und die Strafe wird einige Jahre Gef?ngnis heissen.

Die ersch?tternde Analyse des Zustands des Rechts geht weiter und zeigt die Zerst?rung der elementaren Rechtgrundlage: der Unschuldsvermutung. Denn antiterroristische Praxis ist die Annahme der Schuld. Navarro betont, dass das Recht ausser Kraft gesetzt wird, wenn jemand seine Unschuld erst beweisen muss. Wir sind mit einer Anti-Terror-Politik konfrontiert, in der jedes Mittel recht ist, um gr?sstm?gliche Effizienz zu erreichen: f?nf Tage in den H?nden der Polizei, ?incommunicado? (ohne jeglichen Kontakt zur Aussenwelt). Bei der Unterschrift unter ein Gest?ndnis ist kein Rechtsbeistand anwesend – nicht einmal ein vom Gericht benannter. Aber sp?ter gelten diese Gest?ndnisse als Beweismaterial im Verfahren, als ob die Polizei eidesstattliche Erkl?rungen abgegeben h?tte. Wenn das Verfahren ?berhaupt stattfindet. Manchmal wird es ad acta gelegt, nachdem der Angeklagte Monate ?ber Monate im Gef?ngnis verbrachte. Die Politik der Verteilung der Gefangenen auf alle Gef?ngnisse des Staates erg?nzt die Praxis um eine ungeheuerliche Verletzung von Menschenrechten, die den T?ter und die Familie bestraft. Die Familien werden gezwungen, tausende Kilometer zur?ckzulegen, und k?nnen ihre Lieben manchmal nicht einmal sehen.

Nur eine m?gliche L?sung: Dialog und Verhandlungen

Navarro beendet seine Analyse mit der Feststellung, dass es nur eine m?gliche L?sung g?be: Dialog und Verhandlungen.

Alles ist ein ewiger Kreislauf, der sich wieder und wieder aufdr?ngt. Folter hat im spanischen Staat nie aufgeh?rt zu existieren, weder in den langen Jahren der Franco Diktatur, noch sp?ter, in den entkoffeinierten ?bergangsregierungen von Adolfo Su?rez, Felipe Gonz?lez, Jos? M? Aznar und des derzeitigen Jos? Luis Rodr?guez Zapatero. (transici?n – ?bergang – nennt man in Spanien den Macht?bergang aus der Diktatur Francos in die “Demokratie”, mit der nie eine Demokratisierung staatlicher Institutionen, wie zum Beispiel der Polizei verbunden war. Die grossspanische Ideologie bekam Verfassungsrang und steht als Bollwerk gegen Unabh?ngigkeitsbestrebungen der Basken, Katalanen und Galizier.)

Folter hat im spanischen Staat nie aufgeh?rt zu existieren

Der Fall Igor Portu, der zusammen mit Mattin Sarasola verhaftet worden war, ist nur deshalb bekoannt geworden, weil sie nicht in der Lage waren, die schweren Verletzungen zu verbergen, die eine Einlieferung in die Intensivstation n?tig gemacht haben. Die Regierung betrachtet die vielen Stunden, die zwischen Verhaftung und Einlieferung ins Krankenhaus vergingen, als v?llig normal und versichert uns, die Verletzungen h?tten sich durch den Widerstand w?hrend der Verhaftung ergeben. Der Minister P?rez Rubalcaba stellt sich vollst?ndig hinter diese Behauptung, ohne zu bemerken, dass das Fehlverhalten – wie Javier Ortiz in einem Artikel gut bemerkt – aufzeigt, was alles sich “in ?bereinstimmung mit der Antiterrorismus-Gesetzgebung abgespielt hat”.

Joseba Arregi starb durch Folter mehrere Tage nach seiner Verhaftung in Madrid am 13. Februar 1981. Ich m?chte die Fakten der damaligen Geschehnisse in Erinnerung rufen. Wir haben eine Anti-Nato Veranstaltung im Ateneo in Madrid organisiert, in die viele Leute involviert waren. Es war eine der wichitgsten Veranstaltungen des neugegr?ndeten Anti-Nato-B?ndnisses. Am Tag zuvor war Arregi ermordet worden. Wir begannen die Veranstaltung mit einer Erkl?rung, die seinen Mord verurteilte. Ich erinnere mich, dass ich damals Teil der Veranstaltungsleitung war und die Erkl?rung verlas. Ich beschrieb die Brutalit?t, mit der er misshandelt wurde. Als die Polizei die Erkl?rung bemerkte, griff sie sofort ein. Die Bilder der brutal gefolterten Leiche waren schrecklich. Selbstverst?ndlich sagte der oberste Polizeichef, dass der Gefangene zu keinem Zeitpunkt misshandelt worden sei. Das war 1981. Sp?ter, unter einer PSOE Regierung , w?rden sie zu noch widerw?rtigeren Methoden ?bergehen: GAL, Staatsterrorismus.

“Warum wir, die Demokraten …”

Jahr f?r Jahr fordert Amnesty International, die Sonderbehandlung w?hrend der Verh?re, der Haft und der ?incommunicado? Haft abzuschaffen. Aber in diesem Land, in dem man so oft, mit einer Leidenschaft an der Grenze zum Orgasmus, “Warum wir, die Demokraten …” h?rt, f?hlt man sich nicht angesprochen. Und jetzt werden wir in den kommenden Wahlen wieder einen Wahlbetrug begehen … Der Richter Joaqu?n Navarro Esteban konnte den Dokumentarfilm ?Hautsitako Leihoa? nicht mehr sehen. Er starb am 29. April 2007 in absoluter Einsamkeit.


Myspace Internationalistischer Abend   
 
 
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