17.03.2010 | Ingo Niebel (Junge Welt vom 17.3.2010)

Das Verschwinden des ETA-Mitglieds Jon Anza wirft immer mehr Fragen auf- Im Fall des Verschwindens und des Todes des mutmaßlichen ETA-Mitglieds Jon Anza werden immer mehr mysteriöse Begleitumstände bekannt. Die zentrale Frage lautet:

Wo war Anza zwischen dem 18. und 29. April 2009? Am ersten Tag bestieg der Aktivist der baskischen Untergrundorganisation einen Zug von Baiona (Bayonne) in das südfranzösische Toulouse. Dort sollte er offenbar Kampfgenossen Geld übergeben, erschien aber nicht zu dem konspirativen Treffen.

Am 29. April fand die Toulouser Polizei den Basken bewußtlos in einem Park und ließ ihn in ein Krankenhaus einweisen. Dort verstarb er unerkannt am 11. Mai 2009. Erst Anfang März 2010 wurde sein Leichnam durch einen Zufall in der Kühlkammer des Krankenhauses wiederentdeckt, lautet zumindest die offizielle Version der französischen Staatsanwältin Anne Kayanakis.

Am Montag ergab eine erste Autopsie an dem durch schlechte Konservierung angegriffenen Körper keine neuen Erkenntnisse zu der angenommenen Todesursache durch Herzversagen. Anzas Familie fordert eine zweite Autopsie, da ihr Vertrauensarzt an der ersten Untersuchung nicht teilnehmen durfte.

Ob dies bewilligt wird, hängt von dem Untersuchungsrichter ab, an den Kayanakis am Montag den Fall überraschend abtrat. Zu ihrer Entscheidung dürfte beigetragen haben, daß das Krankenhaus in Toulouse am Montag abend mitgeteilt hatte, daß es bereits am 30. April sowie am 4. und 7. Mai 2009 die Polizei über den unbekannten Bewußtlosen informiert hatte. Kayanakis hatte bislang behauptet, das Krankenhaus hätte am 4. Juni 2009 eine Anfrage der Polizei nach einem Mann mit Anzas Beschreibung negativ beantwortet.
Gleichzeitig veröffentlichte die spanische Zeitung El Mundo in ihrer Montagsausgabe neue Belege für eine Verwicklung der spanischen Zivilgarde in den Fall.

Demnach sollen am 20. Mai 2009 mehrere Geheimpolizisten überhastet ihr Toulouser Hotel verlassen haben. Dabei vergaßen sie, zwei Pistolen mitzunehmen.

Nur fünf Tage zuvor hatte Anzas Familie dessen Verschwinden publik gemacht; zwei Tage, nachdem Kayanakis den Fall übernahm und einen, nachdem die ETA seine Mitgliedschaft und das Treffen in Toulouse bekanntgegeben hatte. El Mundo bestätigte auch die Behauptung der ETA, daß die Guardia Civil im Jahr 2008 Anzas Fingerabdruck in einem ausgehobenen Erdversteck in Südfrankreich gefunden habe.

Damit gerät Spaniens Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba in Erklärungsnot. Er behauptet, die Polizei hätte erst 2009 von dessen ETA-Zugehörigkeit erfahren, obwohl Anza deswegen bereits zwischen 1982 und 2002 in spanischer Haft gesessen hatte.

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