»Wo ist Jon?« 2000 Demonstranten fragen in Baiona nach dem Schicksal eines ETA-Mitglieds
Die spanisch-französische Polizeiarbeit funktioniert bestens, wenn es darum geht, den baskischen Widerstand zu unterdrücken. Am Montag lieferte Paris den mutmaßlichen Chef des Militärapparates der Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit), Garikoitz Aspiazu, an Madrid aus. Das ist ein Novum: Bisher war es üblich, daß die französische Justiz ihre eigenen Ermittlungen abschließt. Das geschah diesmal nicht.
Am Samstag hatten die Polizeiapparate beider Länder kooperiert, um eine grenzübergreifende Demonstration in Donibane Lohizune (St. Jean de Luz) so klein wie möglich zu halten. »Wo ist Jon? Wir wollen die Wahrheit!« skandierten die Demonstranten, die es bis in die Hauptstadt der nordbaskischen Provinz Lapurdi (Labourd), die Teil des französischen Departements des Pyrénées Atlantiques ist, schafften. Die Polizeikontrollen beiderseits der spanisch-französischen Staatsgrenze führten zu kilometerlangen Staus.
Die etwa 2000 Menschen, denen es trotzdem gelang, sich der Demonstration anzuschließen, fragten nach dem Verbleib des ETA-Mitglieds Jon Anza, das vor fünf Monaten spurlos verschwand, als es sich zu einem Treffen mit seiner Organisation begab. Der baskische Flüchtling lebte und arbeitete legal in Baiona (Bayonne). Am 15. Mai hatte Anzas Familie die öffentlichkeit vom Verschwinden ihres Sohnes informiert. Vier Tage darauf erklärte ETA, daß Jon zu einem Treffen nicht erschienen sei und beschuldigte Spanien und Frankreich, dafür georgt zu haben. Das wies der spanischen Innenminister Pérez Rubalcaba kur darauf als »Lüge« zurück.
Trotzdem ist die Anschuldigung nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Im Anti-ETA-Kampf haben Madrid und Paris immer wieder auf Methoden des »Schmutzigen Krieges« zurückgegriffen, um den baskischen Widerstand zu brechen. Zu den bekanntesten Opfer gehören die baskischen Flüchtlinge Joxe Lasa und Joxe Zabala, die eine Todesschwadron der spanischen Guardia Civil Anfang der achtziger Jahre entführt, gefoltert und ermordet hatte. Die Leichen tauchten erst zehn Jahre später auf, als die postfranquistische Opposition die Sozialdemokraten in der Regierung ablösten. Letztere hatten unter Premier Felipe González (1982–1996) die Killertruppe GAL ins Leben gerufen, die von 1983 bis 1987 in Frankreich 27 linke Basken ermordete.
Der »Fall Anza« könnte die Fortsetzung dieser Politik signalisieren. Seit 2008 hat ein halbes Dutzend Basken Anzeigen gestellt, weil mutmaßliche Polizisten in Zivil sie entführten und unter Schlägen zur Mitarbeit zwingen wollten. Diese Methode wandte die Zivilgarde auch bei den angeblichen ETA-Mitgliedern Igor Portu und Mattin Sarasola an. Sie nahm die beiden Männer im Januar 2008 fest und folterte sie in einem entlegenen Waldstück. Portu und Sarasola mußten danach im Krankenhaus behandelt werden. Das Vorgehen gegen sie machte deutlich, daß die Guardia Civil offensichtlich auch außerhalb ihrer Polizeistationen foltert.
Letzteres geschah in der Regel unter »Incomunicado«-Bedingungen: In dieser speziellen Isolationshaft darf ein Verdächtiger fünf Tage lang keinen Kontakt zu einem Anwalt oder Arzt seines Vertrauens aufnehmen. Ein Richter kann den Zeitraum auf bis zu 13 Tage verlängern. Die spanische Polizei hat dieses Mittel in der Vergangenheit dazu benutzt, Verdächtige zu foltern. Das beklagt auch die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International, die Mitte September den spanische Staat erneut aufforderte, die »Incomunicado-Haft« abzuschaffen. Diese verstoße gegen die Menschenrechte.