Spaniens Justiz hält weiter Vorstand der verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna in Haft
Vier Jahre darf laut spanischem Gesetz eine Untersuchungshaft dauern. Dann muß dem Untersuchungshäftling der Prozeß gemacht werden oder er kommt frei. Der baskische Linkspolitiker Rufi Etxeberria verließ am Montag das Gefängnis, weil er in zwei Etappen U-Haft die vier Jahre summiert hatte, ohne daß die Spanier ihn vor Gericht brachten. Drei seiner Parteifreunde bleiben wegen Fluchtgefahr weiter hinter Gittern. Die vier gehören der seit 2003 verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna (Einheit) an. 2007 nahm die spanische Polizei sie und weitere Vorstandsmitglieder unter dem Verdacht fest, die Parteiarbeit illegal fortzuführen.
Das spanische Parteiengesetz, das einer Lex Batasuna gleichkommt, macht es Angehörigen einer illegalisierten Formation unmöglich, sich weiterhin politisch zu betätigen. Aber, wie in Spanien üblich, war die Verhaftung nicht das Resultat entsprechender Ermittlungen, sondern bestenfalls der Beginn derselben. Da die Rechtslage im Fall Etxeberria eindeutig war, blieb den Richtern nichts anderes übrig, als ihn freizulassen. Damit in der spanischen Öffentlichkeit nicht der falsche Eindruck entsteht, die Justiz würde mutmaßliche Straftäter aus dem politischen Umfeld der Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) zu lasch behandeln, behielt sie die drei übrigen Batasuna-Vorstandsmitglieder weiter in Haft. Darunter befindet sich auch der ehemalige Verantwortliche für die Außenbeziehungen der Partei, Joseba Alvarez. Aus Madrider Sichtweise wird nun drei zu eins gezählt, und mit diesem Verhältnis können die spanische Politik und ihre Medien leben. Für die Betroffenen heißt das, zwei weitere Jahre im Gefängnis ausharren zu müssen.
Das Vorgehen gegen Batasuna ist Teil einer neuer Kriminalisierungskampagne, mit der die Madrider Justiz versucht, der trotz aller Verbote und anderer Repressionsmaßnahmen aktiven linken Unabhängigkeitsbewegung im Baskenland Herr zu werden. Am Montag verkündete Spaniens bekanntester Richter Baltasar Garzon, er werde dreizehn Mitglieder der illegalisierten Wahlplattform D3M (Demokratie 3 Millionen) wegen “Zugehörigkeit zur ETA” anklagen. Diese Organisation wollte im März an den Regionalwahlen in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft teilnehmen, wurde aber verboten. In der Vergangenheit, als die baskische Linke legal Politik machen konnte, erhielt sie 15 bis 18 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Neben der Offensive an der Justizfront setzt die sozialdemokratische Regionalregierung der baskischen Gemeinschaft ihre eigene Polizei, die Ertzaintza, weiterhin ein, um Bilder der 750 politischen Gefangenen aus der Öffentlichkeit zu entfernen. Das Vorgehen der Ertzaintza führte am Wochenende in der Hafenstadt Lekeitio (Lequeitio) zu heftigen Ausschreitungen, bei denen Banken und Parteibüros demoliert, Abfallcontainer und Autos abgefackelt wurden. Acht Personen kamen in Polizeigewahrsam. Sie zeigten körperliche und sexuelle Übergriffe an. Die Polizei erstattete Anzeige wegen “Terrorismus”. Am selben Wochenende kam es zu vergleichbaren Krawallen in Pozuelo de Alarcan, einem Ort bei Madrid. Jugendliche versuchten sogar, die dortige Polizeistation zu stürmen. Im Gegensatz zu Lekeitio betreiben die Medien in diesem Fall eine sehr gründliche Ursachenforschung, da es sich hierbei um junge Spanier handelt, die nach einer illegalen Flat-Sauf-Party gewalttätig wurden.
Erstveröffentlichung in der Jungen Welt vom 10. September 2009
Ergänzung von Info Baskenland:
Bei den drei Batasuna Vorstandsmitgliedern, deren Haft verlängert wurde, handelt es sich um Joseba Alvarez, Joseba Permach und Juan Cruz Aldasoro.
Zu den Verhaftungen und zur langjährigen Internierung politischer Aktivsten s. auch:
17. Februar 2008: “Parteienverbot … Demonstrationsverbot … Politikverbot”
Auch die inhaftierten politischen Aktivisten unterliegen – wie alle anderen baskischen politischen Gefangenen, dem Regime der “Dispersion (Zerstreuung)”. D.h. sie werden auf Gefängnisse in ganz Spanien aufgeteilt und mehrmals willkürlich von einem Gefängnis in ein meist weit entferntes anderes verlegt. Die Dispersion verschärft die Haftbedingungen enorm, weil sie längerfristige soziale Kontakte innerhalb des Gefängnisses und Besuche von Familie und Freunden erschwert. Das Verfahren verletzt nicht nur elementare Menschenrechte, sondern auch spanische Gesetze, die eine heimatnahe Unterbringung von Gefangenen verlangen.
Im Falle der drei Batasuna-Aktivsten hieß das bisher:
Joseba Alvarez, Gef?ngnisse: SOTO DEL REAL (2007-10-05), TOPAS (2008-02-19), LOGRO?O (2009-07-20)
Joseba Permach, Gef?ngnisse: SOTO DEL REAL (2007-10-07), ALCALA MECO (2007-10-12), TOPAS (2008-02-19), LANGRAITZ (2008-11-19 D), TOPAS (2009-01-? DITZ)
Juan Cruz Aldasoro, Gef?ngnisse: SOTO DEL REAL (2007-10-07), VALDEMORO (2007-10-12), VILLABONA (2008-02-23), VALLADOLID (2008-11-07)