Strasbourg beschneidet politische Freiheiten im Baskenland
In einem überraschenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Strasbourg das Verbot von drei baskischen Linksparteien durch die spanische Justiz bestätigt. Die Urteilsverkündung erfolgte unerwartet und war in den Sitzungskalendern nicht angekündigt. Die sozialdemokratische Regierung von Premier Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) nahm die Entscheidung mit Genugtuung auf. Im Baskenland reagierte man mit Bestürzung und Ablehnung.
Auf einer Pressekonferenz in der baskischen Küstenstadt Donostia (San Sebastian) nannte der Sprecher der verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna (Einheit), Arnaldo Otegi, am Mittwoch das Verdikt des EGMR eine “schlechte Nachricht”. Seiner Meinung nach gibt das Gericht “der Beschneidung der Freiheiten in Europa rechtlichen Schutz” und bestätige die “politische Apartheid” im Baskenland. Diese ermögliche mittels des spanischen Parteiengesetzes, politische Formationen der linken Unabhängigkeitsbewegung zu verbieten, ihre Fraktionen aufzulösen und 180000 Wähler daran zu hindern, über Abstimmungen am politischen Meinungsbildungsprozeß teilzunehmen. Otegi führte weiter aus, daß die höchstrichterliche Entscheidung “zu keiner strukturellen Veränderung der politischen Situation” führen werde. Die baskische Linke werde weiterhin bei ihren Positionen bleiben, erklärte der Batasuna-Sprecher. Zapatero behauptete hingegen, das Urteil zeige, daß in Spanien die Rechte respektiert würden.
In seinem Urteil bestätigte der EGMR alle bis 2004 ergangenen Parteiverbote. 2003 wurde Batasuna illegalisiert und rückwirkend ihre bereits aufgelösten Vorgängerparteien Herri Batasuna (HB, Volkseinheit) und Euskal Herritarrok (Wir, die baskischen Bürger). Ebenso bestätigte es die Illegalisierung von linken Vereinigungen, die 2003 bei Kommunal- und Regionalwahlen sowie 2004 zur EU-Wahl angetreten waren. Auf die umstrittene Beweisführung gingen die EU-Richter nicht ein, sondern sahen das Verbot in Anbetracht der “terroristischen Bedrohung” für Spaniens verfassungsgemäße Ordnung als gerechtfertigt an.
Der Verteidiger von Batasuna vor dem EGMR, Didier Rouget, zeigte sich im Gespräch mit der linken baskischen Tageszeitung Gara überrascht über die Haltung der Richter. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis waren die Robenträger diesmal von “einer extrem weiten Auslegung des Terrorismus ausgegangen, um sich für eine offensichtliche Beschneidung der individuellen und kollektiven Freiheiten auszusprechen”. Das sei bislang, selbst bei Anschlägen auf “die nationale Sicherheit”, anders gewesen, unterstrich Rouget und verweist auf Urteile zu Kurdistan und der Türkei. “Der Gerichtshof hat eindeutig der Verteidigung der Interessen der Staaten eine Priorität eingeräumt”, faßt der Anwalt zusammen. Der Verteidigung bleiben jetzt drei Monate, um gegen das Urteil Berufung bei der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes einzulegen.
Seit September 2008 sind alle Parteien, die für ein sozialistisches und unabhängiges Baskenland eintreten, verboten. Ihre Fraktionen sind aufgelöst. In knapp 50 Städten regieren trotzdem noch linke Bürgermeister und machen auch ohne die logistischen sowie finanziellen Fraktionshilfen weiterhin Politik. Diese absurde Lage wird wahrscheinlich nach der Sommerpause beendet. Dann möchte die Regierung Zapatero per Gesetz den demokratisch gewählten Stadtoberen der linken Unabhängigkeitsbewegung ihre offiziellen Ämter nehmen.