Angeles Maestro war Parlamentarierin der Vereinten Linken (IU) in Spanien. Sie trat 2004 mit der Roten Strömung aus, weil sie dagegen war, die neoliberale Politik der Sozialisten zu stützen. Die 57-jährige aus Madrid kandidiert für die “Internationalistischen Initiative – Solidarität der Völker” (II-SP) für das Europaparlament. Wir sprachen über den Verbotsversuch und die Vorstellungen von II-SP.
Das Verfassungsgericht hat das Verbot des Obersten Gerichtshofs gegen II-SP aufgehoben. Überrascht es Sie?
Wir waren nach der Kriminalisierungskampagne der Regierung und Medien davon schon überrascht. Sie behandelten uns, als hätten sie uns im Waffenlager erwischt. Wir wurden auch vom Obersten Gerichtshof als “Instrument” der baskischen Untergrundorganisation ETA bezeichnet, wobei normale Vorgänge als kriminell angeführt wurden: die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen, dass der Listenführer Alfonso Sastre legal für eine Partei kandidierte, die später verboten wurde, etc. Wir wurden zum ETA-Umfeld, obwohl bei uns kein Baske kandidiert. Wir dachten, jetzt ist es vorbei…
… wie es bei allen baskischen Parteien und Hunderte Wählerlisten bisher üblich war.
Genau, denn sie wurden alle über das neun Parteiengesetz illegalisiert. Bei uns beschränkte sich das Verfassungsgericht auf Fakten, dass es keine Beweise für die Vorwürfe gibt. Interessant ist, dass im Urteil des Verfassungsgerichts von uns keine ausdrückliche Verurteilung der Gewalt gefordert wurde. Das überrascht und zeigt Mut der Richter. Man darf nicht vergessen, dass über das Gesetz und dem Antiterrorwahn schon Hunderte inhaftiert wurden, die nie Gewalt eingesetzt haben. Es darf nicht der Eindruck entstehen, sie seien rechtmäßig im Knast.
Erstmals reichen bei einer spanischen Liste die Kriterien nicht, die stets bei Basken zum Verbot führen. Stehen wir am Wendepunkt?
Es gibt viel zu analysieren. Die Verfassungsrichter haben sich gegen die Regierung gestellt und sie blamiert. Eine Rolle hat unsere breite Unterstützung gespielt. Bei II-SP kandieren bekannte Intellektuelle, Arbeiterführer und Studenten. Auch Mitglieder der IU und der größten Gewerkschaft stellten sich gegen das Verbot. Da ist auch der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, der schon über das Verbot der Partei Batasuna (Einheit) verhandelt. Es werden nur sehr wenige Fälle angenommen, wenn sie gut fundiert sind.
Hatten Sie Angst, nach dem Verbot in den Knast zu wandern?
Alles war möglich. Im Baskenland wurden Kandidaten zum Teil schon auf der Pressekonferenz nach dem Urteil verhaftet.
Welche Bedeutung hat II-SP?
Erstmals wurde eine Formation gebildet, die von allen Völkern im spanischen Staat getragen wird und deren Recht auf Selbstbestimmung, Souveränität und die Unabhängigkeit verteidigt. Wir werden von vielen Basken, Katalanen, Galiciern … getragen, von Studenten, die gegen die Privatisierung der Bildung kämpfen, Arbeitern, Antifaschisten, Hausbesetzern, sogar von Anarchosyndikalisten. Wir wehren uns gegen ein Europa des Kapitals, wollen raus aus der Nato, die Monarchie abschaffen, deren König vom Diktator Franco als Nachfolger eingesetzt wurde. Wir treten für die Ernährungssouveränität, den Umweltschutz und gegen das Patriarchat ein. Wichtig ist, dass in dieser Krise, welche die Bevölkerung hart trifft, eine Formation existiert, die unabhängig von den Parteien, dem Staats und den von ihm und den Unternehmern kontrollierten Gewerkschaften ist. Es ist der Moment für II-SP und wir wecken große Hoffnungen. Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in Europa, die meisten Arbeitsunfälle und befristete Arbeitsverträge, etc. Die sich entwickelnden sozialen Kämpfe dürfen nicht erneut ein Waisenkind ohne politische Vertretung sein.
Wie sind die Chancen ins Europaparlament zu kommen, nachdem die baskische Unabhängigkeitsbewegung zur Wahl von II-SP aufgerufen hat?
Nun ist es möglich, die nötigen 300.000 Stimmen zu bekommen. Deshalb wollte man uns im Vorfeld abwürgen und verhindern, dass erneut in Europa für das Selbstbestimmungsrecht geworben wird, in Verbindung mit dem Klassenkampf. Ich hoffe, dass wir ein Beispiel für andere bieten.
Ralf Streck den 29.05.2009