14.07.2015 | Uschi Grandel aus Azpeitia (junge Welt vom 13.7.2015)

Proteste gegen Verhaftungen im französischen Teil des Baskenlands

Es war eine Verhaftung mit Ankündigung: Grazi Etxebehere war in Iruñea (spanisch: Pamplona), um das bunte Treiben des San-Fermin-Festes zu genießen, als sie am Donnerstag vergangener Woche erfuhr, dass ihr Haus in Ortzaize (französisch: Ossès) von Spezialeinheiten durchsucht wurde. Zwei angebliche Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA und ein mit Etxebehere befreundetes Ehepaar waren in dem kleinen Ort im zu Frankreich gehörigen Nordbaskenland verhaftet worden. Den friedlichen Protesten gegen die Verhaftungen begegnete die Polizei mit brachialer Gewalt und dem Einsatz von Gummigeschossen.

Bevor sie Iruñea in Richtung ihres Heimatortes verließ, wandte sich Etxebehere an die Medien. Die erst vor kurzem pensionierte Krankenschwester erklärte, sie habe die beiden Männer Iñaki Reta und Xabier Goienetxea beherbergt und »damit einer Organisation helfen wollen, die sich entwaffnen will«. Ihre verhafteten Freunde hätten damit nichts zu tun. Sie selbst bereue ihr Handeln nicht. Der Konflikt um das Baskenland müsse gelöst werden, und dazu seien »Entwaffnung und Dialog nötig«. Sie habe im Sinne der Konferenz »Paris für Frieden im Baskenland« gehandelt, die am 11. Juni dieses Jahres in der Metropole stattgefunden hatte und von mehr als hundert Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Frankreich unterstützt worden war, auch von Abgeordneten des in Frankreich regierenden Parti Socialiste (PS). Die Konferenz appellierte unter anderem an ETA, die im Februar vergangenen Jahres begonnene Entwaffnung zu vollenden, und an die französische und spanische Regierung, sich an diesem Prozess zu beteiligen, um ihn »in geordneter und kontrollierter Weise« zu Ende zu bringen. Nach ihrer Pressekonferenz machte sich Frau Etxebehere auf den Heimweg nach Ortzaize und wurde dort verhaftet.

Ein breites Bündnis ruft inzwischen zu Protesten gegen diesen erneuten polizeilichen Angriff auf den Friedensprozess auf. Unter dem Motto »Schluss mit der Repression, wir brauchen eine Lösung« ist für nächsten Samstag in Donibane Garazi (französisch: Saint-Jean-Pied-de-Port) eine Demonstration geplant. Die ETA-Aktivitäten in Ortzaize waren wohl Teil einer geplanten Entwaffnungsaktion mit Zustimmung der baskischen Parteien und auch der »Comisión Internacional de Verificación« (CIV, »Internationale Kommission zur Verifizierung«), die ursprünglich der Überprüfung des Waffenstillstands von ETA diente und nun auf Wunsch derselben auch die Entwaffnung beaufsichtigt. Das legt die Reaktion der baskischen Konservativen nahe, die sich von Verhaftungen im ETA-Umfeld sonst nicht distanzieren. Diesmal verurteilten sie in einer Presseerklärung »alle Provokationen, die dem Friedensprozess schaden können«. Die internationalen Beobachter der CIV hatten bereits im Dezember vergangenen Jahres angekündigt, dass ETA trotz fehlender Kooperation des spanischen Staates ihre Entwaffnung weiterführe. Denn »Madrid und Paris fühlen sich in den alten Verhältnissen vor 2011 wohler«, also vor dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA. So erklärte Julen Arzuaga von der baskischen Linkskoalition EH Bildu (»Das Baskenland versammeln«) die neuerlichen Verhaftungen.

Zumindest auf die derzeitige rechte spanische Regierung unter Mariano Rajoy trifft das zu. Sie verweigert jeden politischen Prozess zur Lösung des Konflikts und führt ihre repressive Politik im Baskenland fort. Ein Friedensszenario ist für sie nicht zuletzt wegen der politischen Stärke der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung ein Albtraum. Bei den Wahlen im Mai dieses Jahres konnte diese in einer breiten Koalition in Nafarroa (spanisch: Navarra) die seit Jahrzehnten herrschende rechte Lokalpartei UPN entmachten und stellt in Iruñea gar den Bürgermeister. So flattert als sichtbares Zeichen auf dem San-Fermin-Fest 2015 die in den Jahren zuvor von dort verbannte baskische Flagge neben den anderen Fahnen.


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