Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional (AN) hat gestern angekündigt, am 17. Oktober 2013 einen neuen Massenprozess gegen 40 Mitglieder der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung zu eröffnen.
Das Verfahren 35/02 richtet sich gegen ehemalige politische Aktivisten der baskischen Partei Batasuna und zwei weitere ihr nahestehenden Parteien. Alle drei Parteien existieren nicht mehr.
Wie im Schauprozess 18/98, in dem vor etwa acht Jahren 52 in verschiedenen Organisationen des Umfelds der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung tätige Aktivisten ausschliesslich für ihre politische Meinung vor Gericht standen, führt die Staatsanwaltschaft auch in diesem Prozess gegen die Angeklagten keine einzige konkrete Straftat an. Damals wie heute bekämpft das Sondergericht, das dem spanischen Innenministerium untersteht, politische Aktivität der baskischen linken pro-Unabhängigkeits-Bewegung als Terrorismus. Sie behauptet, die Angeklagten würden ihre politische Tätigkeit entweder als “Kollaborateur” oder als “Mitglied” oder gar als “Mitglied der Führung” von ETA ausführen. Dafür fordert sie auch in diesem neuen Prozess zwischen 8-12 Jahren Haft für jeden der Angeklagten.
Dass ETA seit Oktober 2011 ihren bewaffneten Kampf beendet hat, dass viele der angeklagten Aktivisten seit Jahren anerkannt für den Frieden und für Konfliktlösung im Baskenland arbeiten, scheint das Sondergericht besonders anzustacheln. Ob bewusst oder in völliger Ignoranz des Friedensprozesses beginnt der Prozess am 17. Oktober um 10 Uhr in Madrid – also ausgerechnet am 2. Jahrestag der internationalen Friedenskonferenz von Aiete. Deren Friedesfahrplan findet im Baskenland und international große Zustimmung, wird aber von Madrid scharf abgelehnt. Es gehe nicht um Konfliktlösung, sondern um Bekämpfung von Terrorismus, ist die Haltung der spanischen Regierung. Diese Wagenburgmentalität ist der eigentliche Grund für diesen neuen Prozess.
Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional (AN) wird über 40 ehemalige Mitglieder von Batasuna urteilen, darunter sind wichtige Parteiführer, Ex-Parlamentarier und bekannte Persönlichkeiten der linken Unabhängigkeitsbewegung. Viele von ihnen sind auch heute noch politisch aktiv. Die höchste Strafforderung der Staatsanwaltschaft, 12 Jahre Haft, richtet sich gegen Arnaldo Otegi, der derzeit im Gefängnis sitzt und dessen Fall gerade vor dem spanischen Verfassungsgericht geprüft wird. Da er bereits aus denselben Gründen in einem anderen Prozess verurteilt wurde, kann er eigentlich nach geltendem Recht nicht aus denselben Gründen neu anklagt werden. Auch Joseba Permach und Rufi Etxeberria drohen zwölf Jahre Haft.
Das Verfahren 35/02 wurde im Jahr 2002 mit der Festnahme von 11 Personen und der Pfändung von 75 «herriko tabernas», linken baskischen Kneipen, vom Ermittlungsrichter Baltasar Garzón eröffnet. Es diente damals als Grundlage für das Verbot von Batasuna und später weiteren Organisationen der baskischen Linken. Das Gericht hat einen Terminplan festgelegt, in dem sich die Anhörung bis zum 17. Februar 2014 ziehen wird. Während dieser Zeitspanne, werden u.a. die persönlich Haftenden der über 100 «herriko tabernas» vorgeladen. Das Sondergericht hat alle Beweise der Anklage zugelassen.
Arnaldo Otegi erhielt im April 2013 für seine Friedensbemühungen gemeinsam mit dem PSOE-Politiker Jésus Eguiguren den Friedenspreis der baskischen Stadt Gernika (spanisch: Guernica). Aus Protest gegen die andauernde Inhaftierung von Arnaldo Otegi schwieg Jésus Eguiguren bei der Übergabe des Friedenspreises. Die beiden baskischen Politiker hatten schon vor Jahren geheime Gespäche begonnen, um Möglichkeiten für den Frieden auszuloten. Es scheint, das spanische Sondergericht führe immer noch Krieg.