Hunderte Menschen versuchen im baskischen Ondarroa, die Festnahme einer jungen Aktivistin zu verhindern. Ziviler Ungehorsam mit Polizeigewalt beendet
Am Ende hat der menschliche Schutzwall es nicht verhindern können: Die Polizei nahm am Mittwoch in der Kleinstadt Ondarroa eine Aktivistin der baskischen Unabhängigkeitsbewegung fest. Urtza Alkorta war wegen des Vorwurfs einer Unterstützung der Untergrundorganisation ETA zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil basiert vor allem auf einer Selbstbezichtigung der Angeklagten, von der sie sagt, sie sei unter der Folter durch die spanische Polizei erzwungen worden. Alkorta hatte sich deshalb geweigert, die Strafe anzutreten.
Bereits am Dienstag und Donnerstag vergangener Woche hatte die Polizei vergeblich versucht, Alkorta im Haus ihrer Eltern in Ondarroa festzunehmen. Am Freitag tauchte die Gesuchte inmitten Hunderter Unterstützer in ihrem Geburtsort auf. Die Demonstranten kündigten an, die drohende Verhaftung durch massenhaften zivilen Ungehorsams vereiteln zu wollen und begannen, die Zufahrtswege zum Wohnhaus der Eltern zu blockieren. Zu der Aktion aufgerufen hatten die baskische Linkskoalition EH Bildu und die Partei SORTU, deren Repräsentanten und Abgeordneten sich an der Blockade beteiligen.
Die Demonstranten errichteten ein Protestcamp mit vielen Zelten, in dem von Samstag auf Sonntag über 400 Personen übernachteten. Tagsüber versammelten sich bis zu 800 Personen, um Alkorta mit ihren Körpern zu schützen. Es wurden Volksküchen, politische Diskussionen und Konzerte organisiert. Die Polizei beobachtete das Geschehen während des Wochenendes aus der Ferne, hielt sich aber zunächst zurück. In der Nacht auf Montag marschierten dann größere Polizeikontingente auf, um die Festnahme durchzuführen. Jedes Mal heulten im Küstenort die Alarmsirenen, und in kürzester Zeit verstärkten zahlreiche Anwohner die etwa 150 ständig in den Blockaden ausharrenden Aktivisten, woraufhin sich die Polizei zunächst zurückzog.
Am Mittwoch vormittag zogen die Beamten dann die Räumung der Blockade und die Verhaftung der jungen Frau durch. Alkorta hatte zuletzt inmitten von mehreren hundert Menschen auf einer Brücke ausgeharrt. Während die Polizei die Unterstützer gewaltsam von der Brücke zerrte und dabei einem Bericht der Tageszeitung Gara zufolge mindestens drei Menschen festnahm, hielt Alkorta ihre Hände erhoben und rief den Beamten zu: »Die Gewalt geht nur von euch aus!«
An die baskische bürgerlich-nationalistische Regierungspartei PNV hatten die Unterstützer zuvor appelliert, sich der in Madrid angeordneten Festnahme zu widersetzen. »Es ist Zeit, die Gefängnisse zu leeren, nicht die Zeit weiterer Verhaftungen«, hieß es in einem Aufruf unter Anspielung auf den nach dem Ende des bewaffneten Kampfes durch die ETA neu begonnenen Friedensprozeß. »In dieser neuen Phase des Kampfes ist die baskische Linke auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen für politische und soziale Konflikte und experimentiert verstärkt mit Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams«, erklärte der SORTU-Beauftragte für internationale Beziehungen, Gorka Elejabarrieta, der aufgrund seiner ihm in Spanien drohenden Verhaftung im französischen Exil lebt, gegenüber junge Welt. Die von der deutschen Linken in den vergangenen Jahren vom G-8-Gipfel in Heiligendamm über »Dresden Nazifrei« bis »Blockupy« gemachten Erfahrungen seien dabei für die baskische Linke von großem Interesse.
Bereits am 19. April war in Donostia (San Sebastián) versucht worden, mit einer ähnlichen Aktion die Verhaftung von sechs wegen Mitgliedschaft in der linken Jugendorganisation SEGI verurteilten Aktivisten zu verhindern. Damals hatte die Polizei um sechs Uhr morgens mit der Räumung der zu diesem Zeitpunkt immer noch etwa 1000 Blockierer begonnen.
Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 15.5.2013 weiterlesen >>
Siehe auch: “Wir werden weiterhin menschliche Mauern gegen Unrecht bilden” weiterlesen >>