13.11.2012 | Uschi Grandel (junge Welt vom 13.11.2012)

Frankreich: Demonstration im baskischen Baiona. Empörung über Auslieferung von Aurore Martin nach Spanien

In Ipar Euskal Herria, dem unter französischer Verwaltung stehenden Nordbaskenland, trotzten am vergangenen Samstag fast 15000 Menschen dem strömenden Regen. Sie demonstrierten im baskischen Städtchen Baiona (franz: Bayonne), um Druck auf Paris und Madrid auszuüben, »eine Lösung für die baskischen politischen Gefangenen und die Exilierten« zu finden. Die Solidaritätsbewegung für die baskischen politischen Gefangenen und Flüchtlinge Herrira (Nach Hause) hatte aufgerufen, »einen Schritt mehr in Richtung Frieden« zu tun. Denn obwohl ETA vor über einem Jahr das Ende ihres bewaffneten Kampfes erklärt hatte, halten der spanische und auch der französische Staat an der repressiven Politik gegenüber den mehr als 600 baskischen politischen Gefangenen fest. Die Redner der Abschlußkundgebung fordern ein Ende der strafverschärfenden Sondergesetze für die Gefangenen und die Unterstützung Frankreichs für den baskischen Friedensprozeß. Paris müsse den Weg noch wählen, aber die Bürger fordern »ein Friedensabkommen durch Dialog, das auf der Achtung der Menschenrechte basiert«.

Es war die größte Menschenmenge, die je im Nordbaskenland für die Rechte der Gefangenen demonstrierte. Unterstützung kam auch von jenseits der spanisch-französischen Grenze, aus der Baskischen Autonomen Gemeinschaft und aus Nafarroa (span: Navarra), aber aus den drei Provinzen des dünnbesiedelten Nordbaskenlands kamen die Menschen in Scharen. Dazu hatte auch die Auslieferung der baskischen Politikerin Aurore Martin nach Spanien beigetragen. Die junge Frau ist Mitglied der in Frankreich legalen, in Spanien jedoch verbotenen linken baskischen Partei Batasuna und war für die Partei im Nordbaskenland politisch aktiv. Spanien ließ Martin wegen dieser politischen Tätigkeit bereits 2011 mit internationalem Haftbefehl suchen. Vorgeworfen werden ihr Versammlungen und politische Auftritte und damit in Frankreich völlig legale Tätigkeiten. Im Sommer letzten Jahres sollte sie auf Anordnung der damaligen Regierung Sarkozy an Spanien ausgeliefert werden. Aufgebrachte Bürger und politische Repräsentanten verschiedenster baskischer Parteien hatten damals die Festnahme der politischen Aktivistin verhindert. Am 1. November 2012 wurde sie bei einer Polizeikontrolle festgenommen und innerhalb weniger Stunden nach Spanien ausgeliefert. Seitdem sitzt sie in Madrid in Untersuchungshaft. Daß ausgerechnet die Regierung von François Hollande die baskische Aktivistin auslieferte, vergrößerte die Empörung.

Angesichts der Proteste mußte sich der französische Innenminster Manuel Valls rechtfertigen. Die Festnahme sei zufällig erfolgt und nicht von ihm angeordnet worden, erklärte er. Im Baskenland glauben ihm das nicht einmal seine eigenen Parteifreunde. So demonstrierten am Samstag auch Mitglieder der französischen PS, darunter die PS-Senatorin Frédérique Espagnac. Die Versammlung der Bürgermeister des Nordbaskenlands beendete ihre Sitzung früher als gewöhnlich, um den Bürgermeistern die Teilnahme an der Demonstration zu ermöglichen. Davor hatten sie eine Resolution verabschiedet, in der sie die Erklärung Valls zurückwiesen und Aurore Martin ihre Unterstützung zusagten.


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