Baskische Linke hat bei der Wahl am Sonntag einen großen Erfolg errungen. Gespräch mit Marian Beitialarrangoitia (Foto)
Marian Beitialarrangoitia war im Baskenland Spitzenkandidatin des linken Wahlbündnisses »EH Bildu«. Sie wurde am Sonntag in der Provinz Gipuzkoa mit 32 Prozent der Stimmen in das Regionalparlament mit Sitz in Vitoria-Gasteiz gewählt.
Ihr Wahlbündnis »EH Bildu« war bei den vergangenen Wahlen noch verboten – am Sonntag hat es einen Riesenerfolg errungen: Auf die gesamte autonome baskische Gemeinschaft bezogen wurde es hinter der konservativen baskischen Nationalpartei PNV zweitstärkste, in der Provinz Gipuzkoa sogar stärkste Kraft. Wie war das möglich?
Das Ergebnis zeigt, daß man zwar ein Wahlbündnis verbieten kann, nicht aber die Gefühle und politischen Einstellungen der Menschen. Und die haben zu diesem Wahlergebnis geführt, nachdem das Verbot aufgehoben werden mußte. Es spiegelt realistisch die baskische Gesellschaft wider – was die sozialdemokratische PSOE und die rechte PP bisher verhindern konnten.
Beide sind zusammen nur auf 20 Prozent gekommen, die linken und konservativen baskischen Parteien stellen gemeinsam zwei Drittel des Parlaments: Sie haben 21, die PNV 27 Sitze. Sind die Basken in ihrem Bestreben nach Eigenständigkeit und Souveränität einen Schritt weiter gekommen ?
Einen Riesenschritt! Zwei von drei Wählern haben sich für Parteien entschieden, die die Fremdbestimmung durch Madrid ablehnen und für die Souveränität des Baskenlandes eintreten. Sie wollen, daß wir selbst über unser Gesellschaftsmodell entscheiden und die sozialen Herausforderungen aus eigener Kraft meistern.
Der spanische Staat bietet keine Lösungen an – im Gegenteil, er ist Teil des Problems. Auch das, was zur Zeit in Katalonien, Schottland oder in anderen Teilen Europas geschieht, ist ein Indikator dafür, daß die Menschen mehr Selbstbestimmung fordern – sie wollen über ihre Zukunft und die Art ihres Zusammenlebens selbst entscheiden.
Die baskische Linke setzt auf »Unabhängigkeit und Sozialismus«, die konservative PNV auf das kapitalische Wirtschaftsmodell. Wie stellen Sie sich da eine Zusammenarbeit vor?
In sozialen und ökonomischen Fragen wird es bestimmt harte Auseinandersetzungen geben. Wir jedenfalls suchen die Ursache der Krise im Kapitalismus – und der muß abgeschafft und durch ein anderes Wirtschaftsmodell ersetzt werden. Das geht natürlich nur etappenweise, wobei wir jeden einzelnen Schritt erkämpfen müssen. Als erstes müssen wir uns über die sogenannte Sparpolitik auseinandersetzen, also um Einsparungen bei den sozialen und und öffentlichen Ausgaben.
Diese Kürzungspolitik löst erwiesenermaßen gar nichts, wir wollen nicht mehr der verlängerte Arm Madrids sein, um diese falsche Politik fortzuführen. Diese Position wird auch von Abgeordneten anderer Parteien geteilt. Wie wir im Wahlkampf versprochen haben, werden wir alles dafür tun, daß die Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen rückgängig gemacht werden.
Daß »EH Bildu« an der Wahl teilnehmen konnte, ist nicht vom Himmel gefallen – hat es damit zu tun, daß die Befreiungsorganisation ETA 2011 einen einseitigen Waffenstillstand erklärt hat?
Das hat mit dazu beigetragen. Entscheidend war aber wohl 2011 die Konferenz von Aiete, an der Politiker aus anderen Ländern teilgenommen hatten. Es ging darum, die politische Situation im Baskenland durch den gesellschaftlichen Dialog zu normalisieren – ein Ziel, das auch von der bewaffneten ETA unterstützt wird.
Dieser Dialog kann jetzt geführt werden, unser Ziel ist, daß das Recht der Baskinnen und Basken gesetzlich verankert wird, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden.
In französischen und spanischen Knästen werden noch immer mehr als 500 politische Gefangene aus dem Baskenland festgehalten – haben sich die Aussichten auf ihre Freilassung verbessert?
Die Lage kann sich nur dann normalisieren, wenn auch dieses Problem gelöst wird. Höchste Priorität hat auch der Gewaltverzicht – nach dem Verzicht der ETA ist jetzt die spanische Regierung am Zuge. Als erstes muß sie endlich ihr eigenes Strafgesetzbuch respektieren, gegen das sie seit Jahren verstößt. Das heißt: Gefangene müssen heimatnah untergebracht werden, Kranke und Gefangene, die ihre Strafe verbüßt haben, entlassen werden.
Das ist problemlos zu machen – notwenig ist nur der politische Wille dazu. Und unser Wahlergebnis ist dafür ein wirksames Druckmittel.
Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 23.10.2012 weiterlesen >>