20.10.2012 | Uschi Grandel (Junge Welt vom 19.10.2012)

Aufbruchstimmung im Baskenland. Vor Wahlen zum dortigen Regionalparlament Nervosität in Madrid

Am Sonntag finden in den drei bevölkerungsreichsten Provinzen des Baskenlands, der Baskischen Autonomen Gemeinschaft (CAV), Wahlen zum Regionalparlament statt. Das Linksbündnis EH Bildu (Euskal Herria Bildu – das Baskenland versammeln) könnte dabei stärkste Partei werden. Madrid bereitet das jetzt schon schlaflose Nächte, weil die Wirtschaftskrise auf der einen und die Aussicht auf die Lösung des politischen Konflikts zwischen dem Baskenland, Spanien und Frankreich auf der anderen Seite eine politische Aufbruchstimmung in Richtung Unabhängigkeit in der baskischen Bevölkerung erzeugt haben. Als Initiatorin der Friedensstrategie, die vor einem Jahr zum Ende des bewaffneten Kampfes der baskischen Organisation ETA führte, genießt die baskische Linke hohes Vertrauen in der baskischen Bevölkerung. Die Versuche der rechten spanischen Regierung, sich der Konfliktlösung zu verweigern und insbesondere die Politik harter Sondergesetze gegenüber den etwa 700 baskischen Gefangenen beizubehalten, stoßen auf Unverständnis der überwiegenden Mehrheit der baskischen Bevölkerung. Alle Umfragen sehen das Bündnis linker und sozialdemokratischer Unabhängigkeitsparteien EH Bildu, dessen Rückgrat die baskische Linke bildet, weit vorn. Das Wahlbündnis könnte es schaffen, nahezu gleichauf mit der einst so mächtigen baskischen konservativen Partei PNV zu liegen oder vielleicht sogar zur stärksten Kraft zu werden.

Dazu trägt auch die neoliberale Politik des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy bei. Die Kürzungen im Sozialbereich, bei Bildung und Gesundheit, empört die in großen Teilen solidarische baskische Gesellschaft zutiefst. Zwar trifft die Wirtschaftskrise das Baskenland nicht so hart wie andere Regionen Spaniens, aber die Arbeitslosigkeit ist mit 14 Prozent hoch. Trotz guter Ausbildung sehen viele Jugendliche keine Perspektive. Mit zwei erfolgreichen Generalstreiks in diesem Jahr haben die baskischen Gewerkschaften gegen diese Politik mobilisiert. »Es gibt genügend Geld«, erklärt die Spitzenkandidatin des linken Unabhängigkeitsbündnisses Laura Mintegi. Das Problem sei die Verteilung, denn »1,3 Prozent der baskischen Bevölkerung besitzen 44 Prozent des Reichtums«.

Für Laura Mintegi ist EH Bildu nicht einfach eine weitere Wahloption, sondern eine neue Art der Politik. »Wir haben einen Fuß auf der Straße und den anderen in den Institutionen.« Die aktive Einmischung der Bürger in politische Entscheidungen ist für die Schriftstellerin, deren neustes Buch 'Ecce Homo' auch in deutscher Übersetzung vorliegt, ein wichtiges Ziel auf dem Weg hin zur Unabhängigkeit des Baskenlands und zu einer anderen, solidarischen Form der Gesellschaft. EH Bildu kann dabei auf Erfolge verweisen. Gipuzkoa, die vom Bündnis seit über einem Jahr regierte Provinz der CAV, hat die Krise bisher am besten gemeistert und in den mehr als hundert Städten und Gemeinden, in denen EH Bildu den Bürgermeister stellt, führte es basisdemokratische Formen der Entscheidung ein, insbesondere in den wichtigen Fragen der Budgetplanung.

Die Regionalpartei PSE der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) stellt mit Patxi Lopez zwar derzeit den Lehendakari, den baskischen Regierungs­chef. Als einer der beiden Verlierer der Wahl steht sie neben der rechten PP aber schon fest. Nach der letzten Wahl im März 2009 konnte sie die Regierung der CAV nur wegen der Verbote aller Parteien der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung übernehmen. Diese Politik der Ausgrenzung der baskischen Linken ist jedoch inzwischen gescheitert.

Die PNV übt sich derweil in Mehrdeutigkeiten. Ihr Spitzenkandidat Iñigo Urkullu vermeidet deutliche Aussagen zur Unabhängigkeit und spricht vage von »mehr Autonomie«. Es gilt als sehr wahrscheinlich, daß die PNV versuchen wird, in einer Koalition mit der PSE die Regierung zu bilden und den Lehendakari zu stellen. Zu laut darf sie das jedoch nicht sagen, um die vielen Anhänger, die für das Selbstbestimmungsrecht der Basken eintreten, nicht zu verprellen.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 19.10.2012 weiterlesen >>

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