11.03.2012 | Ralf Streck (aus Gasteiz)

Fünf Monate hatten die Basken zu warten, bis ihr Lehendakari, wie der Präsident der Baskischen Autonomen Gemeinschaft auf baskisch heisst, sich zum Friedensprozess äußert. Am Donnerstag stellte der Chef der Regionalregierung seine Vorschläge, wie mit dem Ende eines “Zyklus der terroristischen Gewalt” umgangen werden soll, dem Parlament vor. Die Untergrundorganisation ETA hatte im vergangenen Oktober erklärte, ihre Aktionen einzustellen. Patxi López nannte diese Entscheidung einen “Meilenstein” und will nun den Vorgang “irreversibel” machen.

Klar wurde, dass der spanische Sozialist (PSOE) die Zeit nicht genutzt hat, um andere Formationen von seinen Ideen zu überzeugen. Ein Abgrund klaffte zwischen PSOE und der konservativen spanischen Volkspartei (PP), von der die Regierung López abhängt. Die baskische PP will nicht in Widerspruch zum Kurs ihrer spanischen Regierung kommen, weshalb nach langem Hin und Her die Abstimmung über die Gründung einer Arbeitsgruppe vertagt wurde. Sie sollte “Lösungen für den Konflikt beraten und abstimmen”.

Die PP hatte gedroht, López fallen zu lassen, womit Neuwahlen nötig geworden wären. Der PP-Chef Antonio Basagoiti sagte, er müsse zwischen “der PP und Batasuna” wählen. Ihn störte, dass López den Beitrag der 2003 verbotenen Partei in diesem Prozess gewürdigt hatte. Deren Basis hatte sich von jedweder Gewalt, auch der Gewalt der ETA distanziert. Zwar fordert López wie die PP von Batasuna, dass diese die “Auflösung der ETA” fordere, aber er hält es für “erforderlich”, dass sich die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung wieder als Partei organisieren kann. Sie sitze mit zwei Koalitionen ohnehin in Institutionen, weshalb man sich der “Realität” anpassen solle.

Die PP sah darin den Vorstoß, Batasuna über “Allparteiengespräche” in das weitere Vorgehen einzubinden, was Basagoiti ablehnt. Ihn stört auch, dass die Sonderbehandlung der Gefangenen des Konflikts anerkannt wurde. López schlug deshalb eine “neue Gefängnispolitik” vor, die “auf Gerechtigkeit und dem Respekt vor dem Gesetz basiert.” Die etwa 800 Gefangenen sollten schrittweise in die Heimat verlegt werden, denn sie sind über ganz Spanien und Frankreich verteilt. “Das Ziel ist die Wiedereingliederung”, sagte er. Mit Blick auf die PP hatte er Schritte aber nicht nur mit geltenden Gesetzen sondern auch mit individueller Reue verknüpft.

Enttäuscht waren alle baskischen Parteien übern López Umgang mit den Opfern des Konflikts. Er hatte zwar erklärt, das “demokratische Zusammenleben” müsse sich auf drei Pfeiler stützen: “Wahrheit, Demokratie und Gerechtigkeit”. Doch er sprach er sich gegen eine Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild aus und er unterscheidet zwischen Opfern und Opfern. Er will zwar auch “Opfer von Exzessen einiger Beamter” beachten, sie aber “nicht den Opfern der terroristischen Gewalt angleichen”. Die internationalen Vermittler, darunter Friedensnobelpreisträger aus Südafrika und Irland, weisen aber stets auf die Bedeutung hin, welche die “Anerkennung aller Opfer” für einen dauerhaften Frieden hat.

Angesicht der Toten staatlicher Todesschwadrone, faschistischer Gruppen oder Demonstranten, kritisierte die auch sozialdemokratische Baskische Solidaritätspartei (EA) eine “tendenzöse Betrachtung”. Die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) sprach von einer fehlenden “Pluralität bei der Interpretation”. Maribi Ugarteburu, Sprecherin der baskischen Linke, zeigte ihre “absolute Enttäuschung”. López habe eine Chance verpasst, um “produktive Vorschläge zu machen” und forderte Neuwahlen. Sie erinnerte daran, dass er nur Regierungschef werden konnte, weil bei den Wahlen 2009 alle Parteien der baskischen Linken verboten waren.


Erstveröffentlichung: Neues Deutschland vom 10.3.2012

Zurück zum Menu