25.02.2012 | Interview: Stefan Natke, Bilbo

Baskische Unabhängigkeitsbewegung hat sieben Abgeordnete im spanischen Parlament. Ein Gespräch mit Iñaki Antiguedad Auzmendi

Iñaki Antiguedad ­Auzmendi (s. Foto) ist Professor für Geologie und Hydrologie an der »­EHU/UPV«, der öffentlichen Universität des Baskenlandes in Leioa, Bilbo (span: Bilbao). Seit dem 20. November 2011 ist er für die baskische linke Unabhängigkeitskoalition ­Amaiur Abgeordneter des Parlaments des ­spanischen Staates in Madrid und dort ­Sprecher seiner Gruppe

Ihr Wahlbündnis AMAIUR hat überraschend sieben Abgeordnete ins spanische Parlament schicken können. Ist dadurch eine neue Situation für die baskische Unabhängigkeitsbewegung entstanden? Und wie geht die Zentralregierung damit um?

Unser Wahlerfolg ist praktisch eine Fotografie der Lage im Baskenland: Immer mehr Menschen sind dort bereit, für Eigenständigkeit und Souveränität einzutreten. Und das ist auch der einzige Grund, warum wir in Madrid im Parlament sind.

Amaiur bekam in der Provinz Gipuzkoa die meisten Stimmen, in Bizkaia die zweitmeisten und in Araba und Nafarroa (Navarra) war sie mit anderen baskischen Parteien und Listen gleichauf; die unionistischen – also prospanischen – Parteien erlitten eine Schlappe. Das Neue daran ist, daß es mit der Gründung von Amaiur gelungen ist, Kräfte zu bündeln, die früher jeweils eigene Wege gegangen sind.

Wieso beteiligen Sie sich überhaupt am spanischen Parlamentssystem? Das hatte die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung früher doch immer abgelehnt.

Daß wir sieben Abgeordnete in Madrid haben, heißt keineswegs, daß sich an unserer Haltung zum spanischen Parlament irgend etwas geändert hätte. Wir haben immer wieder betont, daß wir dieses ebenso wenig wie die Institutionen des spanischen Staates als repräsentativ für uns ansehen. Wir werden daher nicht mithelfen, diesen Staat zu verwalten, wie es andere Parteien tun – auch baskische und katalanische wie die PNV und die ECR.

Wir werden der spanischen Regierung ständig die erwähnte Fotografie vorhalten – die sie aber zu betrachten sich weigert. Außerdem werden wir sie in jeder Parlamentssitzung an ihre Wahlniederlage im Baskenland erinnern. Das heißt nicht, daß wir nicht wissen, welche Verantwortung wir haben: Bei wichtigen Abstimmen werden wir eine konsequent linke und solidarische Haltung einnehmen. Neoliberale Kahlschlagpolitik oder gar Kriegseinsätze sind mit uns nicht zu machen.

Welche Rolle hat es gespielt, daß die ETA den bewaffneten Kampf für die Befreiung des Baskenlandes eingestellt hat?

Eine entscheidende: Sie hat den Weg dafür frei gemacht, die Auseinandersetzung mit Spanien und Frankreich jetzt auf politischer Ebene führen zu können, was beide fürchten. Die Zeit der Grabenkämpfe war durch Stagnation geprägt. Uns hat das nicht weitergeholfen, die Gegenseite kam damit aber ganz gut zurecht.

Arnaldo Otegi, Rafa Diez und die Genossen, die deswegen jetzt im Gefängnis sitzen, hatten diese Strategie entwickelt. Ihnen ist es zu verdanken, daß wir soweit sind. Nachdem die ETA ihre Entscheidung verkündet hatte, ist es uns möglich geworden, mit der EA, den baskischen Sozialdemokraten, zusammenzuarbeiten sowie mit der Alternatiba, der baskischen Abspaltung der Izqierda Unida (Vereinigte Linke). Aralar, die linke Gruppe, die schon immer gegen den bewaffneten Kampf war, ist jetzt auch dabei.

Was hat Amaiur jetzt vor?

Unser nächstes Ziel wird sicher sein, daß wir das Parlament der »Baskischen Autonomen Gemeinschaft« entern und dann das von Nafarroa. Die Regierung in Madrid hat die südbaskischen Provinzen in zwei Verwaltungseinheiten aufgeteilt – dort soll nächstes Jahr gewählt werden.

Wichtig ist auch, daß eine Lösung für die über 700 politischen Gefangenen, die auf Knäste in ganz Spanien verteilt sind, gefunden wird. Die gehören nämlich nach Hause. In dieser Forderung hat uns auch die Demonstration unterstützt, bei der am 7. Januar in Bilbo über 110000 Menschen auf die Straße gegangen sind.

Also doch bürgerlicher Parlamentarismus? Ihre Losung heißt »Unabhängigkeit und Sozialismus«.

Ein Beispiel: In Gipuzkoa stellen wir seit den Wahlen den Regierungschef – der allerdings keine absolute Mehrheit hat. Es wäre sehr unrealistisch zu meinen, er könne jetzt den Sozialismus ausrufen. Im Moment ist es nur möglich, neoliberale Politik zu bekämpfen, Privatisierungen zu stoppen und den öffentlichen Sektor zu stärken. Parallel dazu muß die Bevölkerung weiter mobilisiert werden.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 6. Februar 2012 weiterlesen >>

Siehe auch: “Wie ein Bumerang – Baskisches Linksbündnis Amaiur feiert Erfolg bei spanischen Parlamentswahlen”, Junge Welt vom 22.11.2011 weiterlesen >>

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