07.04.2014 | Leitartikel in GARA vom 7.4.2014

In allen Konfliktlösungsprozessen ist eine Lösung für die politischen Gefangenen eine zentrale Aufgabe. In Spanien und Frankreich gibt es zweieinhalb Jahre nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETa immer noch 496 baskische politische Gefangene. Ihre Zahl droht duch eine Vielzahl neuer Prozesse in Spanien gegen baskische politische Aktivisten wieder zu steigen.

Die Berechnung der Anzahl der baskischen Gefangenen seit 1968 zeigt, dass nur Ende 1977, nach dem Amnestiegesetz, die Gefängnisse leer blieben. Nicht für lange Zeit, denn von der Freilassung des letzten Gefangenen bis zum ersten Gefangenen der neuen Phase verging nicht einmal ein Monat. Von da an stieg die Anzahl der baskischen Gefangenen kontinuierlich an, bis zu mehr als 750 Gefangenen in den Jahren 2008 und 2009. Aktuell ist die Zahl der Mitglieder des Gefangenenkollektivs EPPK, die im spanischen und im französischen Staat inhaftiert sind, zum ersten Mal in vierzehn Jahren unter 500 gefallen. Das ist das Ergebnis eines leichten Rückgangs, das durch das Urteil des Straßburger Gerichts (das den spanischen Staat zwang, die strafverlängernde Doktrin Parot zurückzunehmen und etwa achtzig betroffene Langzeitgefangene freizulassen) punktuell verstärkt wurde. Der Rückgang der Anzahl der Gefangenen ist allerdings bedroht durch zahlreiche anstehende Prozesse.

Ohne Zweifel ist die niedrige Zahl eine positive Nachricht. Allerdings sind zweieinhalb Jahre nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA weder die Existenz noch die Anzahl baskischer Gefangener und auch nicht ihre Haftbedingungen positive Nachrichten. Sie sind nicht positiv, weil man in Europa keinen ähnlichen Fall kennt, und weil es den vielen erfolgreichen Konfliktlösungsprozessen auf der ganzen Welt widerspricht, in denen eine Lösung für die Gefangenen eine zentrale Aufgabe war. Sie sind auch deshalb nicht positiv, weil nach kalten Berechnungen das enorme Leid vieler Menschen hinzukommt. Nicht nur das Leid Tausender Basken, die inhaftiert sind oder waren, sondern auch das Leid ihrer Angehörigen. Ein Leid, das sich als Konsequenz der bestehenden Sondergesetze auf das Erschreckendste vervielfacht.

Während die baskische Gesellschaft und die Mehrheit ihrer politischen und sozialen Verantwortlichen für eine Lösung des Konflikts arbeiten, sind nicht weniger als 496 Personen in Gefängnissen weit entfernt vom Baskenland inhaftiert, erhalten nicht die notwendige medizinische Betreuung und sind nicht enden wollenden Akten von Willkür ausgeliefert. Die Menschenrechtsverletzungen machen auch vor ihrem Umfeld nicht halt: hochbetagte Eltern, die ihre Kinder nicht sehen können, Kleinkinder, die hunderte Kilometer zurücklegen müssen, um ihre Mutter oder ihren Vater zu sehen. Auf jeder dieser Reisen setzen sie sich der Gefahr von Unfällen aus und gefährden ihr Leben … erschreckende Zahlen gibt es auch hierfür. All das beschreibt nicht das Problem von 496 Personen, nicht von 496 Familien, sondern ein Problem der ganzen Gesellschaft.


Original (in spanischer Sprache): GARA, 7.4.2014, Leitartikel weiterlesen >>

Übersetzung: Uschi Grandel, 7.4.2014

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